Bosparanisches Blatt
Horas, Kaiser, Freudentag

von
Tarin Salquirio von Salicum-Selzin,
Comto Schatz-Canzler Yaquirias

Weidleth/Nordmarken. Auch in diesen dunklen Zeiten, in denen sich die Finsternis über weite Teile des Mittelreiches gelegt und sich von vielen Teilen Aventuriens noch nicht verzogen hat, erstrahlen Kultur und Geisteskraft im Westen des Kontinentes, gleich so, als wollten sie die tiefe Dunkelheit mit ihrem Licht durchdringen.
Der nun endlich gesiegelte Vertrag von Oberfels bringt Klarheit in das zerrüttete Verhältnis zwischen Altem und Neuem Reich. Wir sind stolz darauf einen der Hohen Gesandten Yaquirias gewonnen zu haben, der an diesem denkwürdigen Tag selbst zugegen war, Comto Schatz-Canzler Tarin Salquirio von Salicum-Selzin. Er wird für uns die Tage in Weidleth und dieses wegweisende Vertragswerk kommentieren.

»Dieser Allaventurische Konvent stand ganz im Zeichen der Versöhnung. Nicht nur, daß der Ort des Geschehens, die Kaiserliche Pfalz Weidleth in den Nordmarken, für unsere Gesandtschaft leicht zu erreichen war, nein, diesmal waren auch die Unterkünfte und der Umgangston ausgewählt. Selbstredend fiel es einigen wenigen Almadanern und Darpatiern schwer ihrer Freude durch unser Kommen gebührend Ausdruck zu verleihen, aber so etwas ist man ja als yaquirischer Gesandter gewohnt.
Und wo ich gerade auf die Gesandten zu sprechen komme, will ich auch gleich die unseren vorstellen: An der Spitze glänzte der Kaiserliche Prinz Timor. Und wenn ich dieses Bild gebrauche, meine ich nicht seine Gewandung, die stets schlicht ausfiel, sondern seine galante Redekunst, die dort ausglich, wo seine alleinige Präsenz Spannungen hervorrufen hätte können. In seiner Begleitung befand sich die Sharisad Yshija Die-zu-den-Sternen-tanzt, deren außergewöhnliche Begabung so manchen beeindruckte und Gefühle zu wecken vermochte, die man selbst für verdorrt hielt.
Alsdann folgte in der Rangfolge der Staatsminister, Comto Abelmir von Marvinko. Weniger dezent in der Auswahl seiner Gewandung, dafür aber, meines Erachtens, allzu schnell bereit das Vertragswerk zu Ungunsten des Reiches nachzubessern. Doch vielleicht waren es auch nur die Bürden meines Amtes, die mich zum einen zum dritten Hohen Gesandten befähigten, zum anderen jeden ausgegebenen Taler spüren ließen, als wäre es mein eigener.
Ebenfalls berufen waren nun schon zum dritten Male Baronin Delhena Naila di Visterdi-Glandore von Ankram und Onjaro, sowie Baronin Elanor von Efferdas, erstmalig der Baron von Bethana, Rhalion von Aralzin und Selzin-Bethana, sowie der Baron von Kabash, Ezzelion da'Malagreía, die allesamt als Zeugen des Hochadels vom Cron-Convent entsandt waren.
Die Edlenbank wurde vertreten durch den Gransignor von Westenende, Gwydeon von Garlischgrötz-Veliris, die Signores von Irendor, Erlan Sirensteen, Neffe des großen Staats-Mareschalles, und als Träger des Titels faktisch Oberhaupt der Familie, Signor Horasio della Pena von Kullbach-Marvinko, ein Nachfahre der berühmten Theaterritterin, Signor Vascal ya Berîsac de Mantrash, Signor Romualdo ya Cantarra, der wohl auch als Auge und Ohr des mächtigen Barons von Veliris angereist war und Erz-Signor Beregram, Sohn des Badatosch, dieser als Vertreter des Bergkönigs von Phecanowald. Alle für Grangoria. Für Horasia waren die Signores von Perainidâl und Arinken, sowie die Vertreter der Signores von Solstono und Elmantessa, für Arivor und Aldyra der Signor Lorion Vistelli von Donocampeé, sowie Signor Hortensio de Bastalista von Aralzin-Tegalliani und für Methumia Signor Ariando Torrem von Torremund angereist.
Unsere Gesandtschaft gehörte damit zu den größten, was sicherlich mit der diesjährigen Nähe zu unserem Reich zusammenhing.
Um dem Leser nicht weiter zu langweilen, es gehört sich jedoch, alle Gesandten aufzuzählen, will ich nun direkt auf den Kongreß zu sprechen kommen. Wie es zu erwarten war, erschien anstelle des Reichsbehüters die Königin Emer, deren Schönheit auch die Trennung von ihrem Gemahl nichts anzuhaben vermochte, und sie eröffnete den Reichstag.
Interessant in diesem Zusammenhang: Diverse Male wußten die eigenen Adligen, die Königin nicht korrekt zu titulieren! Von Hoheit bis zur Magnifizienz war alles vertreten. Doch vielleicht spiegeln sich in dieser fehlerhaften Etikette auch nur verborgene Wünsche der Untertanen wieder. Man weiß es nicht.

Am 8. ING also war es endlich soweit, nach diversen Verhandlungstagen über Reich und Recht, sollte es zur abschließenden Abstimmung über die Annahme des Friedensvertrages kommen. Eine Abstimmung die nötig wurde, da es sich hierbei im Mittelreich um eine sogenannte 'Kaiserfrage' handelte, die eben nur von einem amtierenden und regierenden Kaiser allein entscheiden werden konnte. Da aber wie bekannt SAM Hal seit nunmehr 11 Jahren als verschollen gilt und SKM Brin eben doch nur ein Reichsbehüter ist, ergo kein Kaiser, mußte nun der Reichstag entscheiden. Äußerst brisant in diesem Zusammenhang die potentielle Möglichkeit den Willen des Reichsbehüters zu überstimmen.
Das es dazu nicht kommen sollte, ist ja hinlänglich bekannt. Nach zum Teil äußerst hitziger Debatte, die Stände des Mittelreiches rangen beinahe um jeden Passus des Vertragswerkes, sollte nach einem Abendmahl nun endgültig zur Abstimmung geschritten werden. Hier erwies sich der Reichsapparat, vertreten durch den Truchseß Baron Fingorn Schnattermoor von Mersingen und den Reichskanzler Prinz Hartuwal Growin vom Großen Fluß, als äußerst gewitzt, hatte man doch dafür gesorgt, daß diverse nicht anwesende Fürsten ihre Stimmen Vertretern überlassen hatten, die zum Großteil in persona mit dem Truchessen identisch waren.
So konnten die Neinstimmen des gesamten anwesenden Darpatischen Adels, zu dem sogar die Fürstin Irmegunde von Rabenmund gehörte und vieler Nordmärker Edlen mühelos mit 289 zu nur 64 überstimmt werden. Der Vertrag zu Oberfels wurde somit, nachdem unsere Kaiserin ihn bereits gebilligt hatte, gesiegelt und somit wirksam. Damit ist es an der Zeit uns diese - als Jahrzehntwerk gefeierte - Urkunde näher zu besehen:

Friede von Oberfels:
des großen Congresses im Götterlaufe MMDXII Ratschluß von der ZWOelfe Wollen.

Primo Passus Praiotis, im Zeichen des Greifen: Des Raulschen Reiches Räte und Regenten erkennen an für wahr die Rolle aus der Zeit der Tausendtürmigen, welche die Abkunft des Hauses Firdayon von Kaiser Silem-Horas (Heilig!) anzeigt, und für wirklich also den Beleg, daß Frau Amene Firdayon von Vinsalt, nach dem Recht des Kusliker Friedens Königin Yaquirias, sich Herrscherin von Horas' Gnaden heißen mag, und wollen nicht mehr wider das Wort der Erhabenen Magisterin der Magister Einspruch erheben, die solches schon vor der Götterläufe zehn beschieden. Damit geht einher die Billigung der Sitte Frau Amenes, sich Kaiserin des Wiedererstandenen Reiches Horas' (IMPERIUM RENASCENTUM HORASI) zu nennen, und aus der Achtung vor dem älteren Throne der Zuspruch der Titulatur "Ihro Horaskaiserliche Majestät Amene Firdayon vom Alten Reich" (etc.).

»Somit erkennt das Mittelreich endgültig die göttliche Abstammung des Hauses Firdayon und ihrer Könige an, ist doch auch Silem-Horas' (Heilig!) ein direkter Nachfahre des ersten Horas', der ein Abkömmling des Herrn PRAios ist, wie es schon im 'Zwölfgötteredikt' aus dem Jahre 1400 Horas festgelegt ist.
Zugleich läßt das Haus Gareth seinen Widerstand gegen den Kaisertitel Amene-Horas' fahren. Das ist mit Hinblick auf den Kusliker Frieden von 2244 Horas, der ausdrücklich nicht aufgehoben wurde, äußerst prekär, gilt doch weiterhin die Klausel, nach der es nur einen Kaiser an Aventuriens Gestaden geben darf.
Es ist zwar nicht davon auszugehen, daß Kaiserin Amene-Horas' nach Deklaration König Brins in diesem Jahre zum Kaiser des Mittelreiches Protest erheben wird, aber ein vor den Göttern gesiegelter Vertrag gilt auch vor ihnen gebrochen.«

/ Da Frau Amene nicht Anspruch auf die liturgischen Privilegien der alten Horaskaiser Bosparans erhoben hat, erhebt sich nicht die Frage nach der Göttlichkeit ihrer Person, und nimmer soll sie ein solches versuchen! Der Zweifel an der Heiligkeit der Frau Amene ward nicht glaubhaft ausgeräumt; ob sie wahrhaftig die Gabe der alten Horaskaiser besitzt, nämlich die Siechen und Verwirrten durch bloßes Berühren von ihren Gebrechen zu erlösen, ist allein der Erhabenen Weisheit des Lichtboten (Heilig!) Sache zu entscheiden.

»Dieser zweite Absatz, des ersten Passus, gibt den Herrschern in Vinsalt weitreichende Möglichkeiten. Denn nach wörtlicher Auslegung und nach Auslegung gemäß der Sprachlehre, wie man mir in an der Rechtsschule zu Vinsalt versicherte, kann sich der dritte Halbsatz, des ersten Satzes, dieses zweiten Absatzes nur auf den vorangegangenen zweiten Halbsatz beziehen.
Einmal können die Kaiser zu Vinsalt folglich durch den Boten des Lichtes ihre Heiligkeit erklären lassen, zum Zweiten durch das Vorhandensein der Gabe ihm die Entscheidung aufzwingen. Drittens und letztens werden alle Zweifel beseitigt, sobald die Horaskaiser sich auch ihren sakralen Aufgaben stellen. In diesem Casus gilt es auch die Frage nach der Göttlichkeit nicht zu stellen, da sie durch die liturgischen Ämter impliziert wäre.«

/ Demgegenüber geben die Horaskaiserliche Majestät und ihre Ministerialen ihren Einspruch wider die Wahrhaftigkeit des Kaisers Hal (Heilig!) und den Entscheid des Großen Hoftages im Götterlaufe XXI auf, der seinen Prinzen Brin, den König von Garethien, zum Behüter seines Reiches kürte. Sie erkennen also die wirkliche Rechtmäßigkeit der Räte und Regenten des Reiches Rauls des Großen an, und auch die überlieferten Titulaturen und Adressen.

»Durch diese Anerkennung wird der Vertragsschluß überhaupt erst möglich, erhebt die Kaiserin aus yaquirischer Sicht den Reichsbehüter und den Reichstag somit endgültig zu einem Souverän, der für ein gesamtes Reich handeln und sich auch für jeden einzelnen Untertan binden kann. Gleichzeitig wird jedoch auch der Kaisertitel Hals anerkannt, dessen Rückkehr ebenfalls zu einem Bruch des 'Kusliker Friedens' führen würde, diesmal jedoch auf horasischer Seite.«

/ Da sind nun beide wahrhaftig, daß eine vor dem anderen und alle zwei vor dem übrigen Aventuria, das Heilige Neue Kaiserreich von Raul dem Großen, der Greifenthron zu Gareth, und das Wiedererstandene Kaiserreich von Horas' Gnaden, der Adlerthron zu Vinsalt, und einem jeden sei gesetzet an die Spitze ein mächtiger Souverän. Darum auch soll Frau Amene Herrn Brin als ihren Vetter im Stamme der Göttergegebenen Herrscher ansehen, und Herr Brin Frau Amene als Base.

»Lange war alleine die Titulatur innerhalb des gegenseitigen Schriftwechsels durch Unstimmigkeiten in der Adressierung Grund für Ärgernisse, begann doch Reichsbehüter Brin seine Briefe stets mit 'Tochter', wohingegen Frau Amene zunächst 'Bruder' für seinen Vater Kaiser Hal, und später 'Sohn' für ihn selbst verwendete.
Erst als der Baron von Veliris, als Teilnehmer und Hoher Gesandter des zweiten Allaventurischen Konventes, den Kompromiß 'Vetter und Base' entsann, gab es Ruhe in dieser Beziehung. Mit diesem Satz gilt die Anrede nunmehr als verbrieft.
Der Baron erklärte mir einmal, man wollte mit 'Vetter' eine Gleichstellung des Reichsbehüters andeuten, gleichwohl aber den grundverschiedenen Stamm beider Herrscher ausdrücken.«

Secundo Passus Rondrae, im Zeichen der Leuin: Die Waffenruhe zwischen Greifenthron und Adlerthron, die seit dem Beginn der Verhandlungen zu Oberfels den Untertanen beider Kronen gilt, werde verlängert und zum Frieden ausgeweitet. Nicht soll der Regent des Raulschen Kaiserreiches, sei er ein Kaiser oder sein Verweser, Krieg führen gegen das Alte Reich, und auch die Herrscherin zu Vinsalt, Königin oder Kaiserin, soll ihren Heerbann nicht wider das Neue Reich versammeln und entsenden. So sei zwischen den zwei Kaiserreichen Friede, und das zwölf Jahre lang und weiter noch, wenn es die Majestäten wünschen.

»Dies ist der zentrale Passus, der einen Frieden auf mindestens 12 Jahre sichert, ganz gleich, wer denn nun auf welchem Thron regieren mag.
Zudem gilt dieser Absatz als ein weiteres Indiz für den Fortbestand des Kusliker Friedens. Wiewohl es zahlreiche Stimmen an südlichen Rechtsschulen gibt, die einen Bestand des Kusliker Vertragswerkes gänzlich ablehnen. Dem ist jedoch nicht zuzustimmen, haben doch die Monarchen beider Reiche immer wieder ihren Willen kundgetan, diesen Vertrag als ungebrochen anzusehen.«

/ Doch keine Gnade sei dem Dunklen Reich dem Osten! Einig stehen beide Reiche wider den Zwölffachverfluchten (Unheilig!), den Dämonenmeister, den Gefallenen Verkünders Alverans, den Schwarzen Herrn, den wir bei Namen hier nicht nennen wollen. Nicht eine der beiden Majestäten noch ihre Räte oder Ministerialen und auch keine Lehnsfrau und kein Lehnsmann von all diesen wird mit dem Unheiligen Verderber und seiner Brut, der Schwarzen Horde, gleich ob lebendig, untot oder gänzlich sphärischer Natur, einen Pakt, ein Bündnis oder auch nur einen Frieden schließen. Dies gelte fort für alle Zeiten.

»Neben der Friedenserklärung wurde hier eine Kampfansage gegen alle dämonischen Umtriebe des Bethaniers festgeschrieben.
Während der Verhandlungen gab es in diesem Zusammenhang gewisse Differenzen über die Bezeichnung 'Dunkles Reich', die einigen mittelreichischen Adligen zu weit ging, da sie dem verlorenen Gebiet im Osten einen Status zusprechen würde, den es nicht verdiene. Was von solchen Spitzfindigkeiten angesichts der präsenten Bedrohung zu halten ist, vermag ich nicht ganz nachzuvollziehen.
Doch scheint die Verdrängungsmentalität, der in den letzten Jahren arg gebeutelten Mittelreichern, mittlerweile zu solchen Auswüchsen gewachsen sein, daß vielfach nur noch eigene Trugbilder über die Schrecknisse hinweg zu täuschen vermögen. Man verzeihe mir diesen laienhaften Befund, ich bin kein Seelenheilkundtler.«

Tertio Passus Efferdis, im Zeichen des Dolphins: Die Meere sind frei den Flößern, Fischern und Matrosen. Wenn einer unter Handelsflagge fährt, und dies ist das Banner eines der zwei Reiche, dann soll er nicht an der Fahrt gehindert werden, und Schutz sei ihm in allen Häfen. Wenn einer aber unter Kriegsflagge fährt, so soll man ihn auch nicht aufbringen, doch soll er sich fern halten vom Lande der anderen Krone. In der Not gewähre man ihm nach dem Gebot des Gottes Aufnahme in den eigenen Hafen, doch er muß darum bitten. / Der Friede zwischen den zwei Reichen gelte auf der See wie zu Lande.

»Nicht nur die Ausweitung des Friedens auf Efferds Gefilde, sondern auch ein wichtiger Passus für die zahlreichen Handelsschiffe unseres Landes, die in den letzten Jahren zumeist unter fremder Flagge fahren mußten, Nostria erwies sich in diesen Zeiten als ein echter Verbündeter.
Nun können wir auch die Bedeutung unserer Gespräche mit König Kasimir offenbaren, die von vielen Seiten mit Spott und Hohn bedacht wurden. Wie man sich irren kann.«

Quarto Passus Traviae, im Zeichen der Wildgans: Ein Schutzbrief von einer der zwei Majestäten sei in beiden Reichen gültig, im Land des Greifen und im Land des Adlers. /

»Ein nicht unbedeutender Satz, wenn man die zahlreichen Diplomaten, Gesandten und Reichskauffahrer im Auge behält. Die nicht zuletzt vom Comto Schatz-Canzler, derartige Geleitbriefe erbeten.«

So möge ein jeder Souverän nach seinem Willen Gesandten an die Höfe der Fürsten senden, die im andern Reich Provinzen halten. Dort sollen sie die Gastung finden, die ihnen von den nämlichen Provinzbeherrschern zugestanden werde.

»So einfach dieser Satz auch klingen mag, so brisant ist er bei näherer Betrachtung. Das Horasiat kann nun mit jedem einzelnen Fürstenhaus direkt verhandeln, ohne das die kaiserliche Verwaltung in Gareth davon Kenntnis nimmt. Waren früher einzig Geheimverhandlungen möglich, kann nun offen mit den Provinzen des Mittelreiches über bilaterale Belange gesprochen werden. Gerade in Zeiten, wo Auflösungserscheinungen offen besprochen werden, nicht unbedeutend!«

Quinto Passus Boronis, im Zeichen des Raben: Der Leib des unseligen Grafen Kalman von Phecadien zu Farsid, der im Kampfe um Eslamsberge hingeschieden, soll nicht länger an dem Ort der Schmach verbleiben. Frau Josmina von Bregelsaum, die Hauptfrau der Raulschen Feste Eslamsberge, wird den Leichnam gen Farsid geleiten, und mit ihr werden zwölf Diener des Herrn Boron ziehen, der Götter Gnade für das Seelenheil des Toten zu erflehen. / Zum Gedenken der Gefallenen vor der alten Burg sei dem Graf in seinem Sarkophag der Name jedes Toten eingemeißelt, die er durch seinen Zug vom Leben in die Anderwelt befördert. Doch sei die Schandtat durch sein Sterben abgebüßt. / Herr Brin verzichtet auf alle Rechte an den Phecadilanden und fügt sich damit ein in das Urteil des Ucurihofes von Yaquiria, der ebenso beschieden.

»In diesem Passus wird der Streitfall Phecadien auf höchster Ebene beigelegt. Zum einen kehren die sterblichen Überreste des Grafen Kalman in seine Heimat zurück, der damit seine gerechte Ruhe findet, zum anderen erkennt König Brin von Garethien das Urteil des UCUrihofes an, der unlängst die rechtmäßige Belehnung Herzog Cusimos mit dem Grafentitel von Phecadien bestätigt hatte.
Natürlich war klar, daß Prinz Brin die Ansprüche auf die Grafschaft nur pro forma erhoben hatte, alleine schon, um die horasischen Amtsstuben in Atem zu halten, aber dennoch hätte sich der Konflikt ausweiten können, wenn der Herrscher eines Reiches das Urteil des höchsten Gerichtes eines anderen Reiches mit Waffengewalt zu korrigieren suchte.«

Sexto Passus Hesindeis, im Zeichen der Schlange: Acht und Schande über jeden, der dem Schwarzen Banner folgt, der Siebenstrahligen Krone des Zwölffachverfluchten Daimonators! Bann dem Bethanier durch aller Kirchen Heilige Macht! Dies wollen wir als einiges Bekenntnis der zwei Reiche nehmen.

»Nicht nur ein Schwur gegen den Bethanier, sondern zugleich auch ein Bekenntnis des Horasreiches gegen die größte Gefahr des Mittelreiches direkt anzugehen. Ein Passus der Vertrauen schaffen soll.«

Septimo Passus Firunis, im Zeichen des Bären: Die Lehnslande der einen Majestät seinen der anderen heilig. Und gleiches gelte für die Rechte, Privilegien und auch Lehen, welche die Frauen oder Herren haben, die sich von einer dieser Majestäten da Vasallen heißen, und weiter die Rechte, Privilegien und auch Lehen, die sich wiederum von solchen da Vasallen heißen, und das weiter bis zum letzten Gut und Treueschwur. / Die Titulaturen und Reverenzen, die ein Adliger im einen Reich genieße, mögen ihm auch im anderen zuteil sein, sofern es nicht wider die guten Sitten oder ein geschriebenes Gesetz geht.

»'Ein Baron sei gleich einem anderen Baron', so sprach es einst Rohal aus, als er als Erster versuchte die jahrhundertealte Kluft zwischen Altem und Neuem Reich zu schließen. Denn trotz ähnlicher Feudalstrukturen galten die Adelsstufen des jeweils anderen Reiches zu keiner Zeit als ein Stand. Auch heute noch klafft die Lücke zwischen Baronen des Mittelreiches und Baronen des Lieblichen Feldes. Und in der Tat lassen die Sitten unseres Reiches noch viele Interpretationen zu, wie denn nun die Adligen des Mittelreiches einzustufen sind. Ein protokollarischer Jahrhundertstreit bahnt sich an.«

/ So werde hiermit wiederhergestellt der gute Ruf des Hauses Garlischgrötz, das einst im Reiche Rauls in Schanden gefallen zur Zeit des Kusliker Friedens, und prüfen möge man das Erbrecht, welches die Verwandten dieser Linie auf ihre alten Besitzungen und Lehnslande in Windhag und Nordmarken haben.

»Besonders unter den Nordmärker und Windhager Adligen löste dieser Satz Verstimmungen aus. Sollten die Rechte des Hauses Garlischgrötz tatsächlich unrechtmäßig zur Zeit des Kusliker Friedens untergegangen sein, so müßte man ihnen das halbe Windhag und kleine Teile der Nordmarken rückübertragen. Markgraf Rateral Sanin von Windhag soll schon mit seinem Rücktritt gedroht haben, wenn dieses Szenario Realität werden sollte. Die einzusetzende Kommission wird eine schwere Aufgabe haben.
Zumal die Advokaten des Horasordens bereits angezeigt haben, daß nach ihrer Meinung die Gebiete des Haus Garlischgrötz unrechtmäßig entrissen wurden. - Aus diesem Grund nahm Comto Abelmir diesen Absatz auch wohlweislich bei der öffentlichen Beratung aus, wohlwissend, daß der zweite Absatz allein der Konkretisierung diente, und die Frage der Garlischgrötzen Güter durch den ersten Absatz gedeckt war. Allen Neidern zum Trotze, muß man Seiner Eminenz doch die hohe Schule der Staatskunst zugestehen.«

Octavo Passus Tsahis, im Zeichen der Echse: Die Besitzungen im mittäglichen Teil Aventurias, welche die beiden Majestäten halten, und auch die, welche sich dem Schutz eine dieser Kronen unterworfen haben, seien geschützt wie durch den Frieden, der in den beiden Kaiserreichen gilt. / Das Privileg, den Titel "Königin vom Südmeer" zu führen, sei Frau Amene zugestanden, und umgekehrt gebührt Herrn Brin der "Protector von Hôt-Alem".

»Die gegenseitigen Titelbekenntnisse können nicht darüber hinwegtäuschen, daß dieser Passus alles andere als Klarheit schafft. Denn welche Besitzungen halten die beiden Reiche denn? Heißt halten beanspruchen, oder bedeutet es vielmehr genügend Soldaten dort stationiert zu haben, die ein Eindringen von Außen verhindern können. Bei letzterer Auslegung wäre einzig ein fehlgeschlagener Angriff ein Bruch des Vertrages.
Wir dürfen über die zukünftige Kolonialpolitik beider Reiche gespannt sein.«

Nono Passus Phexis, im Zeichen des Fuchses: Handel und Wandel zwischen den zwei Reichen seien nicht durch bösen Neid behindert, doch mag ein jeder an den Grenzen den Zoll nach seinem Wunsch erheben. / Schutz sei erneut befohlen und gewährt den Händlern, Pilgern und Geweihten.

»Dieser Passus ist so ungenau formuliert, wie er unsinnig ist. Was die Unterhändler sich hierbei gedacht haben, vermag niemand mehr zu erklären. Nur böser Neid darf den Handel und Wandel nicht behindern, alles andere sei erlaubt. Und was bei PRAios ist böser Neid? In der Staats-Advokatur wußte man mir darauf auch keine Antwort zu geben.
Da aber der Zoll an den Grenzen, gem. dieses Passus' schon exorbitante Höhen erreichen darf, ist das letztlich auch gleichgültig.«

Decimo Passus Perainëis, im Zeichen des Storches: Frau Amene sei die Oberherrschaft über das Land der alten Drôler Mark und auch die Stadt an sich mit allen Rechten, Pflichten, Privilegien zugestanden. / Herr Brin läßt seinen Titel fahren und damit den Anspruch. Da in der Krone Kaiser Rauls kein Stein für das kleine Drôl vorhanden war, muß man auch nicht brechen oder schmieden.

Undecimo Passus Ingrimmas, im Zeichen von Hammer und Amboß: Der Treuschwur des Seekönigs der Zyklopeninseln, Herrn Palamydas Thaliyin, auf Frau Amene und den Adlerthron sei vor allen Göttern und Sterblichen gültig und ist nicht Lehnsbruch noch Verrat zu nennen. Denn Seine Hoheit schwor einst nicht den Eid auf die Krone Rauls des Großen, bevor er der Welt entrückt ward. Der neue Schwur sei gültig nun auf immerdar. / Herr Brin läßt seinen Titel fahren und damit den Anspruch. Den Amethysten von Cyclopea schmiede man heraus aus der Krone Kaiser Rauls des Großen und reiche ihn dem Herrn Palamydas.

»Beide Passi sprechen für sich und bedürfen, da sie zudem einseitig bindend sind, keiner genaueren Betrachtung.«

Duodecimo Passus Rahjainis, im Zeichen der Stute: Dies alles sei beschworen in der guten Götter Namen, zu Frieden und Versöhnung zwischen beiden Reichen. / Es möge sich finden ein Prinzliches Paar zu schließen den Ehebund, den Göttern und Reichen ein Wohlgefallen.

»Die Höfe beider Reiche üben sich in Schweigen und halten sich somit in Spannung, welche Adelskinder sich finden werden, diesem Satz nachzukommen. Zwar ist dieser Passus, nach Ansicht beider Reiche, nicht zwingend, somit kann der Bestand des Vertrages nicht gefährdet werden.
Aber dennoch wäre eine Mißachtung dieses Passus' ein schlechtes Omen. Binnen zwölf Monaten, ab Tag der Siegelung, muß eine Verlobung stattgefunden haben, so verlautete es aus den Tempeln, wolle man die Segensbringung nicht gefährden, wenn nicht gar umkehren.«

Addendum:
Dies sei hineingeschrieben in den Vertrag auf den Wunsch des Großen Reiches Rauls und den Willen der Bevollmächtigten Ambassadoren des Horasreiches, daß der Adlerthron dem Greifenthron zwölf Götterläufe lang an jedem Tag, da der Friede sich jährt, fünf mal tausend Horasdôr in Gold übersende, zu rüsten den Heerzug gegen den Bethanier. Und ferner, daß der Adlerthron dem Greifenthron eintausend Kämpfer zur Seite stelle, gemeinsam zu fechten wider die Finsternis ... Bekräftigt sei durch diese Taten der gute Geist, der allen zwölf Passus innewohnt.

»Um die Verzweiflung der Mittelreicher zu mildern, sah sich der Staats-Minister zweimal genötigt, Zugeständnisse zu machen. Einmal sollte das gute Gold, ein anderes Mal die Bereitstellung von Soldaten, die Gemüter der Adligen besänftigen.
Doch zahlt das Horasreich nicht einhunderttausend Dukaten, für zwölf Jahre an Gareth, sondern fünftausend Horasdôr. Dieser Zusatz wurde im Aventurischen Boten falsch abgedruckt, war ich es doch höchstselbst, der besagte Goldsumme zur Verfügung stellte. Ebenfalls falsch wurde im übrigen auch mein eigener Name wiedergegeben! Ich möchte doch sehr bitten, darauf zu achten, daß meine Familie nichts mit dem Geschlecht der hochachtbaren Familie derer von Schelf zu tun hat. Wir Salicum-Selzins sind stolz auf Unsere Herkunft und wollen es bei einem gestrengen Hinweis belassen.
Nun wird sich der ein oder andere, in finanziellen Belangen Unerfahrene, fragen, wo denn der Unterschied zwischen 5.000 Horasdôr und 100.000 Dukaten sind. Ja, seht liebe Leser, alleine die Herstellungskosten sind bei den Horasdôr beträchtlich geringer, zudem lassen sie sich besser transportieren. Dies alles gilt es zu bedenken. Für ein Gerücht halte ich es in diesem Zusammenhang, daß neue Prägestöcke gefertigt wurden, die unsere Kaiserin mit einem leicht vergrößerten Lächeln darstellen. Mir sind keine dieser Münzen jemals persönlich zu Gesicht gekommen.
Was die eintausend Soldaten angeht, so handelt es sich selbstverständlich um Horaskaiserliche Einheiten, wie mir der Comto Cron-Mareschall versicherte. Alleine über diese könnte die Kaiserin in Friedenszeiten verfügen. Vor Vertragsschluß in Weidleth sei dies in der Tat etwas anderes gewesen.
Wenn man letztlich bedenkt, daß der Staats-Minister noch die Tributzahlungen von Drôl und den Zyklopeninseln auf Jahre hinweg hätte verpfänden können, um die Garether Zustimmung zu erkaufen, kann man sehr zufrieden mit dem Frieden von Oberfels sein.
Wollen wir hoffen, daß die Gefahr im Osten besiegt werden wird und dieser Frieden dann noch immer Bestand hat. Mit diesen Worten will ich meinen Bericht schließen.«

Andree Hachmann