Bosparanisches Blatt
Der Landtag der lilienhaften Landen zu Farsid

Farsid/Grafschaft Phecadien. Seit dem Tode des seligen Rittmannes Broderico v. Tikalen steht das Herzogtum Grangoria ohne Connetabel da, dies zu einer Zeit, wo die Verhältnisse immer verzwickter und unklarer werden. So hatte diesmal der Herzog zum Landtag gerufen. Obwohl zuvor schon mehrere Landedle um den Signore von Kullbach einen solchen gefordert hatten, muß man doch davon ausgehen, daß der wahre Grund die endgültige Bestätigung des Grafenrechtes von Phecadien für den Herrn Cusimo war. So versammelten sich denn die Adligen ab dem 12ten Praioslauf des Fuchses unter den Bannern der Lilie im alten Gräflichen Castello. Gar wenige waren's dieses Jahr, denn anscheinend juckte es den Edlen an anderen Stellen.
So eröffnete der Herzog die Versammlung, indem auf den Ablauf des Landfriedens hinwies, die noch immer ungeklärten Verhältnisse in Tikalen ansprach und ansonsten den weiteren Verlauf des Landtages seinem Canzler Comto Chiranor von Tegalliani überließ, der gleichsam die weiteren Fragen, die es zu klären galt, vortrug, wie z.B. die Besetzung des Herzogsgerichtes, die Neuordnung einiger Hofämter, usw. usf..
Den sonstigen Tag nutzten die Edlen zum Müßiggang und der Herzog selbst veranstaltete einen liebreizenden Ball in den Hallen des Castellos. Am Abend jedoch trafen noch zahlreiche Grangorer ein, die es wie so oft vorgezogen hatten erst nach der Eröffnung zu erscheinen. Natürlich weil sie es nicht anders einrichten konnten, wie es hieß, nicht, wie natürlich jeder wußte, der erste Tag der Landtage bislang immer der allgemeine Höhepunkt der Langweiligkeit war. Wie baß erstaunt war man, als man den Herzog selbst anwesend fand.
Der nächste Praioslauf war, wie althergebracht bestimmt, den Göttern gewidmet. Herr Alricilian von Treuffenau-Veliris, als Vertreter des erkrankten Hochgeweihten Torvon Helus von Salicum-Selzin, zelebrierte die Hohe Licht-Meß, die zum Sonnenhöchststand den Reigen der Mysterien aller zwölf Götter eröffnete.
Doch mag nicht verheimlicht werden, daß an diesem Tag ebenso die ersten geheimen Verabredungen getroffen wurden, um den rechten Connetabel zu küren. So sah man nicht selten zwei Granden in den Gärten des Castellos dabei sich anregend zu unterhalten. Doch völlig unabsehbar war, welche Herren und Damen sich denn nun um diesen Posten bewerben wollten. Einzig bekannt war der Wunsch Signore Horasios Connetabel zu werden, auch wenn Gerüchte von einem Rückzug des ritterlichen Signores sprachen.

Am Morgen des nachfolgenden Praioslaufes versammelte man sich in der hohen Halle und begann sich über die Neuwahl eines Connetabels zu streiten. Als erster stand erwartungsgemäß Signore Horasio della Pena v. Kullbach-Marvinko auf.
Der im roten Wappengewand seines Ordens gekleidete Signore erhob die Stimme und erklärte stolz, daß er sich zur Wahl stellen wolle. Kaum hatte er dies getan, da sprang Cyberian v. Felsfelden, der Bruder der vielgerühmten Comtessa v. Felsfelden auf und forderte ebenso das Amt des Connetabels für sich. Ebenso wie Horasio war er in ritterliches Gewandt gehüllt, sind doch beide Geweihte der donnernden Leuin. Ein Raunen ging durch die Reihen.
Kaum hatte der junge Felsfeldener sein Kandidatur bekanntgegeben, da warf Horasio zurück: "Wie uns allen seit dem letzten Landtage bekannt, darf vor dieser Versammlung nur der sprechen, der ein Lehen des Herzogs führt. Da der Connetabel in Grangoria keineswegs ein rein militärischer Rang ist, sondern derjenige den gesamten grangorischen Adel am Hof des Herzogs darstellt, ist's ohne Lehen nicht getan!" Da ließ Don Cyberian aber noch nicht den Kopf hängen, sondern schaute vertrauensvoll zum Baronet Alricilian von Treuffenau-Veliris, dem als Praiosgeweihter die Rechtsprüfung der Versammlung gebührte. Schmunzelnd erhob sich der Baronet, blickte noch einmal herüber zu seinem Vater, dem Baron von Veliris und sprach dann sorgsam und langsam: "Wir sehen leider Recht in dem was Don Horasio spricht, setzt euch Felsfelden und seid still in dieser Versammlung."
Daraufhin setzte lautes Gemurmel unter den Freunden der Felsfeldens ein und Cavalliero Cyberian setzte sich mit versteinertem Gesichte nieder. Lange berieten sich noch einige Landstände und bewegten dann den Signore von Carindôr sich zu erheben, er habe schon einmal seine Befähigung bei der kurzzeitigen Verwaltung der Baronie Veliris gezeigt und nun sollte er dem Herrn Horasio die Stirn bieten. So zeigte sich nun ein wahrlich Streitgespräch zwischen den beiden, bei dem der Signore Horasio auf seine militärischen Fähigkeiten mehrmals verwies und Signore Romualdo ya Cantarra immer wieder seine Erfahrung bei der Verwaltung Veliris erwähnte. Zwei Stunden stritten sich die Herren in der Halle, dann rief der Herzog, der den Streit alles in allem recht desinteressiert verfolgte, zur Wahl auf. Da herrschte ein enges Rennen, zuerst stimmten die Gesandten Vengas, fast einstimmig gewann hier Herr Romualdo, ebenso war es in Schradok und Sewamund. Allein die Signori von Veliris (mit Ausnahme des Carindôrers, versteht sich) und Tikalen entschieden sich für Horasio. Allein Signor Phygor da Marascenta-Ardismôr und Signor Rassuan Tharedion von Lumiân stimmten für den Carindôrer.
Darauf wählten die Barone und Gransignori: Sewamund, Schradok und Venga wandten sich auf Romualdos Seite, allein der mächtige Baron von Veliris und überraschender Weise auch dessen Gegner Comto Rimaldo di Scapanunzio, der Verweser Tikalens, stimmten für den kullbacher Signore.
Dann wählte der Protector von Bomed, Gorfar der schon als Gransignore und Signore seine Stimme dem Herrn ya Cantarra gegeben hatte und nun auch nicht anders widerfuhr. Da standen nun also 35 Stimmen auf des Herrn von Carindôrs Seiten und es waren 27 bei della Pena. Nun mußte nur noch der Herzog seine Stimme abgeben, zuerst als Graf von Phecadien, dann als Herzog. Leise war es vor Spannung im Saal, denn obwohl es hieß der Herzog wolle sich enthalten, war man sich seiner 18 Stimmen voll bewußt. Er erhob sich und erklärte sicher: "Wir der Graf von Phecadien und Herzog Grangoriens geben unsere Stimmen dem Herrn..." , zahlreiche Signores sah man, die sich ein letztes Mal des Schweiß von der Stirn mit ihren Seidentüchern putzten, "Horasio."
Oh, welch ein Jubel auf der einen und welch ein Entsetzen auf der anderen Seite. Noch während die Kumpanen Signore Romualdos die Niederlage beweinten, bei der sie um eine einzige Stimme geschlagen waren, begann der Signore mit seiner Siegesrede. Er dankte seinen Wählern und erklärte, daß er auch trotz dieses Wahlausganges für jeden Grangorer ein rechter Connetabel sein wolle. So machte er deutlich, daß er demnächst das herzögliche Gericht zusammenrufen wolle, um die Landfriedensbrecher endlich urteilen zu können. Desweiteren wolle er vom Markgraf Windhags die Auslieferung jener Schurken fordern, um sie auch ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Zu der Besetzung Shumirs erklärte er: "Zwar mißbillige ich die harschen Worte, die von Veliris nach Bethana gingen, ich muß allerdings das Eingreifen des Baron Arianos loben und werde mich, falls der Baron nichts dagegen hat, mit einem Bannern meiner Soldaten am Schutze der Shumirer Signorie Bevölkerung beteiligen." Erneut ging ein Raunen durch den Saal, waren doch auch die Edlen Grangorias zerrissen, ob sie die Aktion des Barons gutheißen sollten oder nicht. Wiewohl sich doch die meisten hämisch freuten, sowohl Gräfin Udora, wie auch Erzherzog Hakaan, von einem Grangorier an ihre Pflichten erinnert zu sehen. Andererseits wurde das Bild des ruhigen Landmannes angekratzt, einem Ideal, hinter dem sich die Grangorier immer wieder gerne versteckten, ging es um unliebsame Entscheidungen.

Als dann ging es um die Besetzung des Herzogsgerichtes, eine fürwahr uninteressante Angelegenheit, die daher auch an andere Stelle ausgeführt werden soll. Auch die Neuordnung der Hofämter, die dem Herzog völlig allein belassen ist, und der Landtag lediglich Beratungsrecht hat, ging beinahe reibungslos vonstatten, hätte der Baron von Veliris nicht Einspruch gegen das Oberhofmünzamt Tikalens eingewandt. Dieses traditionell freiherrschaftliche Amt könne nicht bei einem Signor liegen, selbst wenn er die Verwesung einer Baronie ausübe.
Der Herzog, der noch immer mit der Entscheidung der Kaiserin haderte, ihren Sohn und nicht ihn zum Congress nach Weidleth zu schicken, mochte sich nicht mit den Einwänden des Barons beschäftigen und vertagte die Entscheidung.

Letztlich ging es um die Verlängerung des Landfriedens. Als jedoch der Herr von Amarinto, Signor Darion dagegen einwandte, daß dadurch das rondrianische Recht der Fehdefreiheit verletzt würde, ging ein Stöhnen durch die Reihen der Adligen, das der Herr Darion mit großem Erstaunen entgegennahm.
"Signor Horasio, als Mann der RONdra und nun auch als Connetabel von Grangoria, erklärt es ihm", bat der sichtlich gelangweilte Herzog, der unablässig auf die große Stundenkerze blicke.
Dieser erhob sich und trat vor: "Für all' jene, die entweder zu lange im Mittelreiche geweilt haben, oder denen die Gesetze der RONdra nicht geläufig sind, soll hier der Sinn und Zweck eines Landfriedens erläutert werden. Der Landfrieden verbietet kriegerische Auseinandersetzungen zwischen den Grafschaften, Baronien und Domänen. Das Fehderecht steht weiterhin jedem aufrechten Edelmanne, der die Gebote der RONdra achtet, zu. Die folgende Regeln sind zu beachten: Eine Fehde ist drei Tage vor Beginn bekanntzumachen. Entweder durch einen Fehdebrief, oder den alten Fehdehandschuh. In beiden Fällen müssen dem Fehdegegner die Gründe für die Fehde entweder schriftlich oder unter Zeugen mitgeteilt werden. An den Tagen der Götter, insbesondere an allen Tages des PRAios, hat die Fehde zu ruhen. Die Stammburg oder das Stammschloß der Befehdeten dürfen nicht angegriffen werden. Beendet wird eine Fehde entweder durch Beilegung oder Anrufung einer Schiedsstelle von beiden Fehdegegnern. Der Spruch der Schiedsstelle ist bindend. Ein Zuwiderhandeln gegen diese Regeln verstößt gegen das Gesetz der RONdra und den Landfrieden."
Da nahm auch der Herr von Amarinto seinen Einwand zurück und begann fleißig einige Zeilen auf ein Stück Pergament zu kritzeln, wobei man ihn mehrfach höhnisch Grinsen sah.
So geschah es dann, daß die Versammlung den Landfrieden verlängerte, womit dieser bis zum nächsten Landtag verlängert ward'.

So machten sich die Edlen von dannen, der eine froh, der andere weniger froh. Doch nun steht Grangoria wieder mit einem Connetabel und kann frohen Mutes in die Zukunft blicken. Interessant sein dürfte nur, daß Signore Horasio sich angeblich umgehend nach Veliris aufgemacht haben soll, weshalb, das mochte man nicht sagen.

Felix Füzi / Andree Hachmann