Bosparanisches Blatt
Ein unerwartetes Ende

Climet/Chababien. Der Climeter Grenzkonflikt zwischen der Domäne Eldoret und der Baronie Kabash (das BB berichtete in den letzten beiden Ausgaben), der leicht zu einem größeren Nebenschauplatz im Gefolge der Shumir-Krise hätte werden können, fand dieser Tage ein plötzliches und für viele Beobachter unerwartetes Ende. Ein willkommenes Ereignis für den investigativen Journalist. Bevor wir über die aktuellen Ereignisse berichten, eine Zusammenfassung des Vorhergegangenen:

Die Entdeckung echsischer Katakomben unter dem Städtchen Thegûn und die damit in Zusammenhang stehenden Ereignisse hatten die nahegelegen Climeter zum Anlaß genommen, ihre Kopfsteuer fortan dem Eldoretischen Säckel zukommen zu lassen, wofür ihnen des Eldoreter Gransignors rechte Hand, der Secretario Eran Reo ter Sindarjan, 15 Justiciar-Söldner zum Schutze überließ. So wurde ein Jahrhunderte alter Streit neu entfacht: Nachdem nämlich der Seekönig von Cyclopea, Mironos von Rethis, in den Dunklen Zeiten das Ende des Despioner Despotats einläutete, indem er die Lande am Chabab eroberte und die Despoten derart schwächte, daß die von Norden kommenden Soldaten des Kaisers Usim II. gemeinsam mit den Truppen der Familie da Cassâdia (nach denen des Gransignors Residenz benannt ist) leichtes Spiel hatten, wurden die restlichen Lande in die Landherrschaften Eldoret und Thegûn aufgeteilt, die Seneb-Horas-Straße als Grenze ausgemacht. Dabei hatten die schlauen Kaiserlichen allerdings das kleine Örtchen Climet übersehen, das wie Thegûn und Trevia genau auf dieser Straße lag und nun wegen Fehlens im Vertrage keinem der beiden Lande angehörte. So entbrannte ein bis heute nicht ganz bereinigter Streit um das Dörfchen, das mal dem einen, mal dem anderen Lande einverleibt, nach der Unabhängigkeit endgültig dem Land des Wolfes zugeschlagen wurde.
Nachdem nun das Land des Salzrades in den letzen Jahren zu einem (für chababische Verhältnisse) außerordentlichem Reichtum gekommen war, schien den Dörflern wohl die Zeit gekommen, dem wenn auch nicht weniger ruhmreichen, so doch ärmeren Wolfslande die kalte Schulter zu zeigen und die alten Kabalen wiederaufleben zu lassen. Kurioserweise geschah dies in Abwesenheit der beiden Lehnsmänner; Ricardo ter Bredero kämpfte in Tobrien, Ezzelino von Kabash weilte auf dem Konvent zu Weidleth. Von Seiten der Oikaldiki wurde nichts unternommen, mochten sich die beiden Lande nur um ein so unbedeutendes Kaff streiten, das käme der Familie nicht einmal ungelegen in ihrer Politik der Machtstärkung in Chababien.
Derweilen die hohen Herren also nicht unternehmen konnten und wollten, marschierten in Climet die Truppen auf, die beiden hier ansässigen Schwadrone der Chababischen Cavallerie zerstritten sich und schlugen sich je auf eine der Seiten. Nur Dank der Anwesenheit der Justiciar-Söldner aus Eldoret konnte eine offene Kampfhandlung vermieden werden.
Mittlerweile trafen die hohen Herren wieder ein: Ricardo ter Bredero kehrte von der Schlacht um Ysilia schwer verwundet heim, und es dauerte lange bis die Heilkünste der Rahjina von Treuffenau-Veliris, von ihrem Vater dem Freunde entsendet, ihn von Golgaris Rücken holte. Während dieser Zeit begann es in Climet zu gären, einzelne kleinere Angriffe und Überfälle standen auf der Tagesordnung, zwei Häuser wurden Opfer von Mordbrand. Dann kehrte auch Don Ezzelino von Weidleth zurück, sah das Malheur, und sandte dem Gransignor eine Nachricht von seiner Absicht, sein Halbbanner "Mercenarios" zu entsenden, der Sache ein Ende zu setzen. Es schien, als würde damit den Eldoretern ein schnelles Ende bereitet, waren doch die Kabasher Truppen jetzt in der Überzahl. Der Gransignore, mittlerweile wieder gesundet, ließ den Baron wissen, daß er den Streit zwar nicht vom Zaun gebrochen und erst kurz nach seiner Genesung davon erfahren habe, aber den Konflikt auszutragen bereit sei, und dies unter den Regeln der Rondra und der Ehre.

So wurde fluchs ein Datum festgesetzt, zufälligerweise (oder in voller Absicht?) der 1. Phex 2513 Horas, der Tag der Erneuerung, um sich an diesem Tage auf den Weiden vor dem Dorfe zum Kampf zu treffen. So geschah's. Auf der Dachterrasse des Climeter Schulzen saßen die hohen Herren zum Tee, während unten auf den Feldern die Truppen aufmarschierten: Lanzer und Mercenarios auf der einen, Cürassiere und Justiciar-Söldner auf der anderen Seite, flankiert von den schaulustigen Climetern. Don Ezzelino rieb sich die Hände, denn der Sieg war ihm sicher. Da erschien ein dritter Haufe auf dem Feld und gesellte sich zu den Eldoretern: Ein halbes Banner der berühmten Söldner "Stolz von Chetoba". Nun war der Eldoreter um seine Justiciar-Söldner stärker. Nachdem man die Soldateska geschlagene drei Stunden warten ließ, weil die hohen Herren noch auf die neueste Ausgabe des Bosparanischen Blattes gewartet hatten, um zu sehen, ob nicht höhere Dinge anstanden, hob man nach ausführlicher Lektüre schließlich die Köpfe aus demselben, warf sich nach einem Kopfnicken eher nebenbei den Handschuh vor der Füße und gab mit einem Wink das Signal zum Angriff. Es kam zu einem wohlfeilen Hauen und Stechen, bei dem die Bauern, die ihre Ernte noch nicht eingefahren hatten, am meisten zu leiden hatten, den die Frucht ihrer Äcker war binnen wenigen Praiosblinzelns, nicht zuletzt wegen des einsetzenden Regens, zu Schlamm geworden. Die beiden Landherren ließen sich ein Regendach aufstellen und den Bosparanjer kommen, während auf den Feldern das Schlachtenglück mehr und mehr auf Seiten des Gransignors wogte. Als er dies sah, befahl er den Rückzug seiner Justiciar-Söldner, damit die Verhältnisse ausgewogen seien. Waren sich die beiden Dons vorher nicht unfreundlich, aber verhalten begegnet waren sie nun plötzlich ein Herz und eine Seele, plauderten, scherzten und lachten, daß sie manch mal sogar den Schlachtenlärm übertönten. Unser Informant will ein Pergament gesehen haben, das zwischen beiden hin- und herging, was auf Nachfrage heftigst dementiert wurde, jedenfalls, gerade als es so aussah, als würde die Schlagkraft der Chetober Söldlinge nun doch die Entscheidung herbeiführen, gaben die beiden Herren das Signal für die Waffenruhe. Die Truppen standen wie vom Praiosblitz getroffen, da ließen die Herren verkünden, man wolle das Blutvergießen beenden, erkläre ein nicht zu lösende Pattsituation, zahle sich eine gegenseitige Entschädigung für die Verluste, und beide Lande wollten fortan Frieden miteinander halten, das Dörfchen Climet aber möge sich nimmermehr gegen seinen Don erheben.
Das alles wurde besiegelt mit einem Fest aller Beteiligten, wofür Don Ezzelino die Keller der Ortschaft zu plündern befahl. Die Climeter, deren Äcker verwüstet und deren Vorräte aufgebraucht waren für eine Sache, die sie nicht bekommen hatten, zogen sich in ihre Häuser zurück und ließen die Cavallieri, die natürlich vom Gang der Ereignisse enttäuscht ihre Energien anderweitig loswerden mußten, feierten und grölten und schlugen Haustüren ein und zerrten junge Mädchen in die Heuschober.
Was war geschehen? Wir können nur mutmaßen: Es ist bekannt, daß sich der Gransignore die Chetober Söldlinge nicht hätte leisten können. Wer also hatte ihn hofiert? Und warum dieses Ende, wo er doch alles hätte gewinnen können? War es zu einem Bündnis zwischen Salzrad und dem Wolf gekommen, die sich bisher immer als Konkurrenten um die Wichtigkeit in Chababien sahen? Wenn ja, gegen wen ist dieses Bündnis gerichtet? Gegen die Oikaldikis, denen beide bekanntermaßen nicht besonders freundlich gegenüberstehen? Gegen Prinz Timor? Was leistet Don Ezzelino für die Großzügigkeiten des Gransignors? Es scheint, als habe die Vinsalter Geheimdiplomatie ein chababisches Pendant gefunden.
Kurz nach den beschriebenen Ereignissen ließ der Gransignor Ricardo Rondravyon ter Bredero ash Manek eine weitere Bombe platzen: Er lud ein zu seiner Vermählung mit Rahjina von Treuffenau-Veliris im Rahja dieses Jahres.

Steffen Popp