Doch keineswegs zur Ruhe sollte die Versammlung jetzt kommen! Die blutbefleckte Klinge noch in der Faust, Entsetzen und gerechte Wut auf seinen Zügen, wirbelte Signor Rimaldo herum, wies mit seines Stahles Spitze geradewegs zur Witwe hinauf und rief aus der allseitigen Unruhe heraus: "Verrat, schmählicher Verrat! Du unreine Metze, steig herab, verfluchtes Weib!" Als sie das sahen, sprangen die Herren Tharedion und Ardismôr zu zweien vor die hohe Dame, gleichsam die scharfen Schneiden blankgezogen, und Signor Phygor rief mit lauter Stimme: "Schützet die edle Regentin!" Da war das Gemach vom Ziehen der Schwerter und Degen erfüllt - denn Sitte ist´s wie ehedem, daß alter Adel Klingen trage, wenn er aufscheinen muß, um Lehnspflicht zu leisten - und bald trat eine BORonschwangere Waffenruhe ein.
"Sie war des Hochgeborenen Gemahlin und drum Regentin nun,", es sprach Rimaldo von Corheno, "doch heut´ habt ihr gesehen, edle Damen, edle Herrn, wie sie dem Toten das gelitten. Ein übles Werk hat sie mit schwarzer Kunst vollbracht, auf daß der Arme nicht-tot, nicht-lebend ihr zu Diensten sei. Welch ein Hexenweib! Fort mit ihr! Des Schweigsamen Gottes Fluch über dich, du Borbarad-Hure von Tikalen!"
Und Herr Arralin, der Geheime Rat, der tief betroffen schien, trat vor, denn er war ein Magus von außerordentlichem Rufe, und sprach, ja, er sei sich sicher, daß hier Magie zugegen gewesen sei, die schwarze Kunst, die man mit der Anrufung der Unheiligen Zwölfe (PRAiosstehunsbei!) verbinde. Er müsse den Antrag des aufgebrachten Comtos stützen.
Da erhob sich ein Rumoren in der Halle, und die beiden Streiter der Dame Cavarya schauten verwirrt, und die Klingen ließen sie sinken. Es raste der Saal - und Comto Rimaldo, dem die Edlen das Wort erteilten, fuhr fort und beschloß, als Sprecher der Landstände, daß Cavarya von Berlînghan-Tikalen vor das Hohe-Gericht der Gräfin zu führen sei und den Herrn der Heilig-Halle des Götterfürsten PRAios, und nimmermehr sollte Regentin sein, bis daß der Prozeß geklärt sei, derweil die Dame von Signor Tharedion auf Burg Yaquirwacht in Ehrenhaft gehalten werde. So ward´s beschieden, so geschah´s.
Und weder der Herzog von Grangoria noch die Räte der Gräfin noch des Horashofes Advocaten mochten sich der Berlînghan erbarmen, und an alldieselben schrieb die Dame doch demutsvoll Petitionen. "Einer Necromantin und Schwartz-Kuenstlerin vermöge man nicht zu helfen, das liege nur in der Himmlischen Hand,", so sprach der Canzler Tegalliani, und wie er, so denken viele. Comto Rimaldo hingegen wurde vom Erbkämmerer der Grafschaft Bomed, Herrn Selinan ya Tarcallo, auf Hochwohlgeborenen Ratschluß hin, zum Verweser der tikalischen Lande auf unbestimmte Zeit bestallt. Und der Prozeß naht.
Frank Bartels
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