Seewind
Journal der Horaskaiserlichen Kriegsflotte, der Freien Stadt Grangor und der Lande ober- und unterhalb des Phecanowaldes
Rosenwunder in Felsfelden?
von
Nandurian Beamico

Während der Rahjafesttage kam es in Felsfelden zu einem denkwürdigen Ereignis, das die Dorfbewohner vom "Rosenwunder von Felsfelden" sprechen, Comtessa Yanis hingegen betroffen schweigen läßt. Wir haben unseren Korrespondenten Nandurian Beamico gebeten, im Gespräch mit dem ehemaligen Bürgermeister Ascalion Tevilen Licht in die Geschehnisse zu bringen. Eingedenk seines hohen Alters gestaltete sich dies als ein nicht leichtes Unterfangen.

NB: Meister Tevilen, Ihr dürftet als der wichtigste Zeuge des sogenannten "Rosenwunders" gelten.
AT: Nun ja, ich konnte von meiner Bank aus alles aus nächster Nähe beobachten.
NB: Es heißt, Ihr hättet von Anfang an gewußt, was sich ereignen würde.
AT: Ach was! Die Jungs und Mädels übertreiben mal wieder.
NB: Ihr meint sicher die Dorfbewohner?
AT: Genau. Ihr müßt wissen, daß sie immer so lieb sind, mir an den Festtagen nicht die Sicht aufs Podium zu versperren, von dem die Comtessa die Festrede hält. So kann ich alles im warmen Sonnenschein sitzend verfolgen. Wißt Ihr, wenn die Sonne so…
NB: Weswegen solltet Ihr denn nun vorher gewußt haben, was passieren würde?
AT: Hmm, vermutlich wegen dem Mann.
NB: Welchen Mann meint Ihr?
AT: Na, der junge Kerl. Der die Comtessa geküßt hat. Nun schaut doch nicht so. Ach, am besten erzähl' ich's Euch mal von vorne… Wie gesagt, saß hier in der Sonne und seh' gerade zu der jungen Peraina rüber - ein ahnsehnliches Mädel übrigens, junger Mann - als es auf einmal ein bißchen schattig wird. Und als ich mich umdreh', da steht da dieser Mann. War ganz freundlich und ob er sich setzen dürfte. Hatte nichts dagegen. Habe gern etwas Gesellschaft, wißt Ihr. Und der Junge machte einen rechtschaffenden Eindruck.
NB: Er war doch ganz in schwarz gekleidet und hatte die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, richtig?
AT: Nun ja, mir war aber so, als würde ich ihn schon ziemlich lange kennen. Kann aber nicht sein, wenn ich's mir recht überlege - seltsam, nicht wahr? Auf jeden Fall kamen wir ins Gespräch. Fragte ihn, was ihn ins schöne Felsfelden verschlüge. Meinte, er hätte von unserem netten Brauch gehört.
NB: Daß sich zwei Menschen küssen, die unter dem Rahjanienschmuck auf dem Markt zusammentreffen?
AT: Genau. Und so schauten wir dann den Jungs und Mädels beim Schmücken zu. Sagte irgendwann, er würde auf eine ganz bestimmte Frau warten. Hat nicht viel drüber geredet, war aber offensichtlich schwer verliebt, der Arme. Daß er unsere Comtessa meinte, hab' ich erst gemerkt, als es soweit war. Ist aber auch ein Prachtmädel unsere Yanis, was?
NB: Ja, ja. Und dann?
AT: Plötzlich steht er also auf, als sich die Menge teilt, und schaut mich mit seinen leuchtend blauen Augen an. Travia vergelt' Euch Eure Gastfreundschaft, sagt er und steht schon im Schatten beim Podium. Grad als die Comtessa unter den geschmückten Bogen tritt, kommt er hervor. Es wurde ganz still, vermutlich, weil keiner wußte, was er wollte. Der ya Erft…
NB: Der Hauptmann der Rosengarde.
AT: …machte sofort einen Satz nach vorne, wißt Ihr. Und dann hat sie die Hand gehoben. Der junge Mann umfaßte Ihre Hüfte. Ganz schön tollkühn, was? Und alles schien stillzustehen, hab' selber die Luft angehalten, als die beiden sich geküßt haben. War schon seltsam, lag' was Kribbeliges in der Luft, wenn Ihr wißt, was ich meine. Und dann ist es passiert.
NB: Das "Rosenwunder".
AT: Genau. Plötzlich fielen Rosen vom Himmel runter. Ringsherum um das Paar fielen sie, lauter Rosenblüten - rote und weiße. Unglaublich, was? Hab' selber eine meiner Sarila geschenkt, hatte nichts dagegen die Comtessa. Hat sich sehr gefreut, die Arme. Mußte krank im Bett bleiben…
NB: Und wie ging's dann weiter?
AT: Hm? Ach ja. Nun, wie die beiden noch so schön Arm in Arm in den Rosen standen und alles gen Himmel starrt und was von Wunder ruft, ist er auf einmal wieder verschwunden. Hab' aber aus'm Winkel gesehen, wie er um die Hausecke gehuscht ist. Bei Rahja, ich würd' schwören, daß unsere Yanis Tränen in den Augen hatte! NB: Hat man schon etwas über den Verbleib des Mannes herausgefunden?
AT: Cleveres Kerlchen. Hab gehört, ein paar Jungs hätten einen wegreiten sehen. War aber an drei verschiedenen Stellen im Ort. Seltsam, nicht wahr? Und der C. meinte ja noch, der Kerl hätt' mich verzaubert, mit Sansalabim, hat er gesagt. Unfug. Ich auf meine alten Tage verzaubert? Pah!
NB: Vielen Dank für das Gespräch, Meister Tevilen.
AT: Komm ich jetzt ins Blatt, junger Mann?

Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß weder über Herkunft und Identität, noch über den Verbleib des Vermummten etwas bekannt ist. Auch die Vertrautheit mit Meister Tevilen läßt vermuten, es habe sich um einen Magus gehandelt. Die Beschreibung deutet ferner darauf, daß es sich um eben jenen rätselhaften Begleiter handelt, der schon während der letzten Vinsalter Opernfestspiele an Seiten der Comtessa auftrat. Jene hüllt sich aber in Schweigen.
Dies wiederum ist wenig verwunderlich, erinnert man sich ihrer langen Krankheit im letzten Götterlauf. Noch Wochen nach dem Überfall namenloser Kultisten - das BB berichtete in Ausgabe 14 - hielt so mancher sie für geistig labil, bisweilen soll sie sogar in Lethargie verfallen sein. Wieviel Wahrheit in diesen Gerüchten steckt, ist bisher noch unklar.
Als Verehrer dürfte das Rosenwunder besonders den Signor von Mantrash schwer getroffen haben. Zu gegebenem Zeitpunkt im Feldlager der Pertakiser vor Shumir weilend, soll er sich nach einem Wutausbruch melancholisch zurückgezogen haben. Selbst die Dankesbotschaft der Comtessa ob des am 4ten RAH gemachten Tsatagsgeschenkes - einer prunkvollen Reisekutsche! - mochte seine Stimmung nicht heben. Dabei wurden im vergangenen Götterlauf viele Zeichen seiner Werbung offenbar: sein Schloß wurde nach ihr benannt, im Park soll eine ihr nachempfundene Rahjastatue stehen; kostbarer Schmuck wurde verschenkt; der Einstieg in das SBH mit Exklusivverträgen immens erleichtert und nicht zuletzt ein gemeinsames Gestüt gegründet. Sehr zum Ärger des Signors scheint sich das Interesse der Umworbenen allein auf die wirtschaftliche Förderung Felsfeldens zu konzentrieren. Und da jene selbst eine Untersuchung des vermeintlichen Rahjasegens abgelehnt hat, dürfte es auch dem verbitterten Dom Vascal schwer fallen, jemals herauszufinden, welchem Paar das Rosenwunder gegolten hat - falls man von einem solchen sprechen kann.

Mark Paffrath