Bosparanisches Blatt
Seekönig wieder aufgetaucht!

Amene-Horas übergibt die Delphinkrone an Palamydas Thaliyin

von Gerilian von Torrem

VINSALT/RETHIS. In diesen Tagen übertrug Amene-Horas, Königin beider Hylaîlos, die Seekönigswürde an Palamydas Thaliyin, der als rechtmäßiger Nachfahre der ersten Seekönige zuvor bestätigt wurde. Gleichzeitig mit der Rückgabe der Delphinkrone an den Zyklopäer schwor dieser der Kaiserin jedoch die Treue und unterstellte sich somit dem Primat des Horasreiches.

Ein einzigartiges Verwirrspiel war diesem glücklichem letzten Akt vorausgegangen: Der vor knapp 80 Jahren für tot erklärte Palamydas tauchte urplötzlich in Vinsalt auf und störte dort eine Theatervorstellung des begnadeten Milo Venregons. Im letzten Akt des Stückes „Der Opfergang der Thalionmel" stoppte der junge Mann die ansonsten sehenswerte Aufführung und löste einen allgemeinen Tumult aus, in dessen Verlauf nicht nur das Stück endgültig unterging, sondern der vermeintliche Störer auch ergriffen wurde.
Einzig das Wort des Admiral-Marschalls Praïokles dyll Aleïstos zugunsten des Mannes, verhinderte wohl sein Verschwinden in die Katakomben des Stadtverlieses. So aber konnte der Unruhestifter sich als Seekönig Palamydas zu erkennen geben und seinen Thron von Amene-Horas zurück erbitten. Gleichzeitig entbot der junge Zyklopäer der Kaiserin seine Gefolgschaftstreue. Als Beweis seiner Worte uns seiner Person zeigt er letztlich den seit 80 Jahren verschollen geglaubte Siegelring der Seekönige an seiner Rechten.

Doch der eigentliche Trubel begann erst jetzt: Amene-Horas bestellte den vermeintlichen Seekönig zu sich ins Schloß, rief ihren Staats-Minister und andere kluge Köpfe zusammen und zog sich hinter die verschlossenen Türen des Adlerkabinetts zurück. Pausenlos liefen Pagen, Secretarios und Mitglieder des Staats-Ordens hinein und hinaus, wie man aus zuverlässiger Quelle erfahren konnte. Bis tief in die Nacht hinein beanspruchte die Kaiserin ihre Minister. Palamydas Thaliyin vertrieb sich unterdessen mit Cron-Prinzessin Aldare die Zeit, wo man schnell auf gemeinsame Interessen und Neigungen stieß, wie später von der Secretaria der Prinzessin zu hören war.

Alldieweil spukten diverse Gerüchte und Mutmaßungen in Vinsalt umher. Trotz der verpatzten Oper - Maestro Venregon mußte noch Stunden später von mehreren hübschen Signoritas getröstet werden - fand der traditionelle Ball im Vinsalter Opernhaus wie gewohnt statt. Da sich jedoch zum 20. HES eines jeden Jahres der Adels Yaquirias hier in Vinsalt zum Stelldichein findet, schlug die Nachricht unter den zahlreichen Hochadligen ein, wie - man verzeihe mir den Ausdruck - Hylaîler Feuer. Jeder hatte wohl seine eigene Theorie, seine höchstpersönlichen Geheimnisse gehört und gab diese nun bei weißem und rotem Bosparanjer zum Besten. Seine Excellenz Comto Tarin von Selzin, Schatzkanzler Yaquirias, vertrat die Auffassung die Zyklopäer hätten das Siegel irgendwo in ihrem verwunschen Schloß wiedergefunden und es nun dem erst besten stattlichen Ziegenhirten an den Finger gesteckt. Ein Siegelring beweise gar nichts. Vielleicht im Gratenfelsischen noch, aber nicht hier im zivilisierten Yaquiria. Und mit dieser Ansicht stand der Comto Schatzkanzler nicht allein. Andere jedoch, und unter ihnen befand sich auch der Erzregent von Arivor, Nepolemo ya Torese, bezeichneten den Seekönig als ein Geschenk der Götter. Die Lage in Rethis sei längst schon nicht mehr überschaubar gewesen, die Bewohner unzufrieden, ob der korrupten und habgierigen Verwaltung - ein Seitenhieb auf Seine Edelgeboren Urras von Hohenstein-Corden, den dieser wohl vernommen hatte -, die einheimischen Seesöldner lustlos und die hylaîlschen Adligen reichlich eigensinnig geworden. Längst deutete sich alles auf einen Umsturz hin, wie eingeweihte Honoratioren noch hinzufügten. Die Inseln bedürften einer Galionsfigur, drückte sich Gilvana von Nervuk-Selzin, Conter-Admiralin der V. Flottille, aus.
Doch auch das Schicksal Prinz Haridiyon Thaliyin, Infant von Rethis, wurde heftigst diskutiert. Baron Ariano von Treuffenau-Veliris war der Ansicht, sollte der alte Seekönig auch der neue Seekönig werden, verfielen die Erbrechte des Prinzen in dem Augenblick, da Palamydas Thaliyin einen Erben zeugen würde. Die Rechte seiner Familie seien älter und daher zu bevorzugen. Dem widersprach Esquirio Alricilian Sal von Veliris-Carinto - eben erst als Gesandter des Cron-Conventes aus Oberfels zurückgekehrt - ganz entschieden, sei der Infant doch mit dem Tode seines Vaters Mermydion II. längst Erbe des Königreiches beider Hylaîlos geworden, dürfe diese Seekönigswürde aber erst mit Erreichen des Mannesalters annehmen, ganz so, wie es der Vertrag von A’Layais Hiphon vorsehe. Palamydas könne höchstens bis zu diesem Zeitpunkt Seekönig werden, so Kaiserin Amene-Horas ihre Pflichten auf ihn übertrage. Merymakos IV. sei völlig zweifelsfrei rechtmäßiger Seekönig beider Hylaîlos gewesen, was alleine schon die Aufrechterhaltung des Bundes zwischen Meer und Land beweise. Der liebestolle Palamydas hätte seine Wahl längst getroffen. Gerade dieser letzten Äußerung stimmten viele - ja wenn nicht sogar die Mehrzahl - der Adligen zu. Vor dem Cron-Convent hätte der stattliche Zyklopäer wohl nicht bestanden.

Im Vinsalter Schloß hingegen wurde indes eine andere Entscheidung getroffen: Die Identität des Seekönigs schien sich bestätigt zu haben und wurde schon wenige Tage später, am Morgen des 26. HES 2512 Horas von der Kaiserin anerkannt. Amene-Horas legte offiziell die Würde der Seekönigin beider Hylaîlos nieder und proklamierte Palamydas Thaliyin dylla Rethis öffentlich zum Seekönig der Zyklopeninseln. Wenngleich Kaiserin Amene mit dieser Tat wieder einmal ihr politisches Feingespür bewiesen hatte - konnten die Garether doch nun diesen Punkt von ihrer Forderungsseite streichen und ließ sie alle Stimmen, die sich auf den Inseln gegen das Horasiat gewandt hatten, nun verstummen - so kann dies doch nicht darüber hinweg täuschen, daß noch zahlreiche Fragen unbeantwortet blieben.

Andree Hachmann