Neue Kund und Nachricht vom Immerwährenden Hort der Hesindianischen Gaben
Nr. V, VI & VII
Hesinde-Spiegel
30. HES 1020 BF
Versenkungsfest

Magazin der Gelehrten und Weisen, Nachrichtenblatt der Akademien und Schulen, Blatt der Weisheiten, Medium der Hohen Herrin Hesinde und Organ der Magisterin der Magister aus den Heiligen Hallen zu Kuslik
Preis der Weisheit: 5 Golddukaten

APPLICATUS ARGELIST
Mit Zauber du durchdrungen bist

"12. HES 987 BF
(...) Dann lag endlich die Krypta vor uns: Ein enger Durchlaß zwischen den eingestürzten Pylonen, die wie gefallene Götter über uns ragten, ließ unseren Blick über die schimmernden Grabbeigaben und den jaspisgeschmückten Sarkophag gleiten. Der Bucklige warnte, daß vielleicht noch nicht alle Gefahren überstanden seien, doch Harderon stürzte mit einem goldenen Glanz in den Augen vorwärts und achtete nicht auf die kleinen Steinchen, die unheilverkündend auf ihn prasselten, als er sich durch den Durchlaß zwängte. Sein gieriges Lachen noch in den Ohren folgten wir ihm bedächtig, als er schon aufschrie. Er wankte uns entgegen, Blut quillte aus seinem Mund und den ungläubig geöffneten Augen. Dann brach er zusammen. Während ich noch angestrengt versuchte, ihn ins Leben zurückzurufen, besah sich der bucklige Meister ungerührt den Sarkophag, den Harderon offenbar öffnen wollte. "Sieh her, Tamidlyn" rief er mich zu sich "damit du lernst, nicht blindlings in Borons Arme zu laufen, wie dieser Narr - schließlich brauche ich dich noch." Mit seiner knochigen Hand wies er auf ein Siegel von regenbogenfarbenem Metall: Zwei ineinander verschlungene Glyphen in einem Kreis. Ein Schutzzeichen der Magie."

Bericht eines wandernden Medicus über eine von Xeraan geleitete Plünderung eines nebachotischen Grabes, Hesindetempel zu Gareth

Entwicklung
In den Jahrhunderten nach den Magierkriegen entwickelte sich in der Artefaktzauberei ein spezieller Aberglaube: Aufgrund von zaubertragenden Zeichen an alten Artefakten und Gebäuden, glaubte man, diese Zauberzeichen alleine wären für die festgestellten magischen Effekte verantwortlich. Doch waren die Thaumaturgen nicht in der Lage, durch exaktes Kopieren dieser Zeichen und der Verwendung zauberkräftiger Materialien die gleiche Wirkung hervorzurufen, so daß die Zauberzeichen ein Mysterium blieben. Erst 9 Hal gelang es der Khunchomer Schule durch den SIGILLUS CUSTODIS herauszufinden, daß tatsächlich ein recht einfacher Bindender Spruch für die Magie in den Zeichen verantwortlich war: Der APPLICATUS ARGELIST, eine Zauberei, die auch vor den Magierkriegen bekannt war.

Anwendungsmöglichkeiten
Der APPLICATUS schafft lediglich eine grobe Matrix, die nur einen einzigen Zauberspruch auf kurze Zeit speichern kann. Der Zauber eignet sich vor allem dazu, Gegenstände und Möbel mit Zaubern zu sichern, also anders gesagt: Für magische Fallen aller Art. Um damit einen leicht transportablen Gegenstand (Ring, Armreif, Schlüssel) zu belegen ist er weniger geeignet.
Wohingegen der ARCANOVI jeden denkbaren Auslöser ermöglicht, sind die Abraxi beim APPLICATUS stark eingeschränkt: Für gewöhnlich können nur undifferenzierte Taten, die mit dem verzauberten Gegenstand zu tun haben müssen als Auslöser angegeben werden.

Die Anwendungsmöglichkeiten sollten v.a. dem Meister genügen, um Bauten mit magischen Fallen zu sichern: Berühren eines Gegenstands, Überschreiten einer Linie und Öffnen eines Kästchens sind alles Auslöser, die für den APPLICATUS gelten können. Es ist erstaunlicherweiser aber möglich, diese Aussagen für Personen (wie dem Hausherren) einzuschränken: "Der SCHWARZ UND ROT soll ausgelöst werden, wenn jemand außer mir die Statuette berührt." Bei komplizierteren Fallen muß der Hausherr (neudeutsch Dungeonkeeper) eben den aufwendigeren ARCANOVI benutzt haben. Als Faustregel gilt, daß die Kompliziertheit des Auslösers den Zuschlag von +3, den ein solcher Abraxas beim ARCANOVI ergeben würde, nicht überschreiten darf.

Zauberzeichen
Der große Nachteil des APPLICATUS ist seine kurze Wirkungsdauer: Er vermag den Zauber nur bis zum nächsten Sonnenaufgang zu speichern, dann bricht das Geflecht seiner Kraftfäden zusammen und der Spruch wird ausgelöst.
Die Zauberzeichen, die ja länger bekannt sind als der Zauber selbst, scheinen aber diesen Zeitraum verlängern zu können: Offenbar korrespondieren sie mit der Matrix des APPLICATUS und erhalten diesen dadurch länger. Der Khunchomer Akademie ist nach jetzigem Stand (27 Hal) teilweise die Entschlüsselung der Herstellung solcher Zeichen gelungen, so daß sie einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann.

Sigillen und Fibrillen
Im Groben läßt sich ein APPLICATUS-Siegel folgendermaßen beschreiben: In einem einfach oder doppelt gezogenen Kreis liegen zwei bis vier verschlungene Symbole, die dem Nanduria sehr ähneln. Tatsächlich ist es nicht bekannt, ob sich diese Zeichen vom Nanduria ableiten, oder ob sich die Geheimschrift aus diesen Sigillen entwickelt hat. Die Zeichen liegen in allen möglichen Positionen zueinander: In einer Reihe, übereinandergeprägt, vertikal zu einem Zentralzeichen etc. Die Nanduriabuchstaben geben häufig Hinweise auf den gespeicherten Spruch: M-M dürfte eine Magica Mutanda signalisieren, während sich S-M-G-R als SOMNIGRAVIS deuten läßt. Die (geringe) Wirkung, die diese Zeichen auf die Verzauberung haben, hängt wohl mit einer Sympathie und Affinität der APPLICATUS-Matrix mit dem Nanduria zusammen - allerdings ist diese Theorie stark umstritten.
Wichtiger erscheint die Art der Einarbeitung: Bei der Herstellung der Zeichen müssen im verwendeten Material bestimmte Fibrillen, ein faserartiges Netz, das mit der Matrix des einzubindenden Spruches assoziiert wird, entstehen. Diese Fibrillen erscheinen dann als feinstes Grundmuster auf dem ganzen Siegel. Ihre Herstellung kann nur durch magiebegabte Künstler geschehen, da zur Erschaffung nicht nur Astralenergie, sondern auch die Kenntnis von der Matrix des Wirkenden Spruches Voraussetzung ist. Je länger das Siegel den APPLICATUS speichern soll, desto mehr Kraft muß eingesetzt werden. In diesem Zusammenhang ist auch festgestellt worden, daß bei der Herstellung ein Teil der eingesetzten Zauberkraft für immer verloren ist.

Materialien
Vom für das Siegel verwendeten Material hängt der Kraftaufwand bei der Herstellung ab. Häufig wird das Siegel einfach in den Gegenstand geschnitzt, gehämmert oder geschmiedet, an den der Zauber geheftet wird. Damit ist das Material - meist Holz, Stein oder Metall - natürlich vorherbestimmt. Sofern man nicht Koschbasalt verwendet gibt es bei diesen üblichen Materialien keine Probleme mit dem APPLICATUS - allerdings auch keine Vorteile. Nur Siegel aus Mondsilber, Mindorium, Amulettmetall und Arkanium können den Kraftaufwand mitunter gewaltig reduzieren. Wo das Thaumatursom nicht gänzlich aus den genannten Materialien gemacht ist, werden von der Akademie Khunchom und einigen wenigen anderen APPLICATUS-Magiern münzenähnliche Siegel aus den magischen Stoffen gefertigt, die dann nur noch in den zu verzaubernden Gegenstand eingepaßt werden müssen. Natürlich haben diese 10 Unzen schweren Siegel ihren Preis: 100 bis 400 Dukaten für die Anfertigung plus die Materialkosten, was bei Arkanium schnell astronomische Summen ergeben kann.

Bekannte Fibrillen
Die Grenzen des Einsatzes von Siegeln liegen bei der Bekanntheit der Fibrillenmuster: Bislang sind nur von wenigen Zaubern (ca. sechs Dutzend, vor allem verbreitete Schutz- und Schadenszauberei) die passenden Muster gefunden worden, so daß sich viele Sprüche auch weiterhin nur bis zum nächsten Sonnenaufgang mit dieser Art der Verzauberung binden lassen. Die meisten dieser Muster sind ohne Zweifel an der Drachenei-Akademie zu Khunchom bekannt, allerdings hüten auch andere Akademien (vor allem Mirham) und private Lehrmeister wichtige Fibrillenmuster, unter denen sich solche Exoten wie REVERSALIS KLARUM PURUM, WAND AUS ELEMENT oder EIGNE ÄNGSTE finden mögen.
Das Wissen um die Herstellung eines Fibrillenmusters wird streng gehütet und nur in den seltensten Fällen mit Außenstehenden geteilt.

Spieltechnische Auswirkungen

Sigillen
Die Zeichen auf den Siegeln (die sogenannten Abenteurern eventuell zeigen, in welche Falle sie laufen) sind nicht essentiell wichtig, haben aber einen Einfluß bei der APPLICATUS-Anwendung: Sollte das Nanduria-Zeichen nicht mit dem Wirkenden Spruch korrespondieren, so ist dessen Probe um 3 Punkte erschwert.

Fibrillenmuster
Die Herstellung eines APPLICATUS-Siegels erfordert zunächst einmal die Kenntnis des exakten Fibrillenmusters für den zu speichernden Spruch. Wenn man das Muster nicht kennt, den entsprechenden Spruch aber sehr gut beherrscht (ZF 10+), kann man in einem langwierigen Prozeß versuchen, das Muster selbst zu erarbeiten: Dazu sind innerhalb von W20 Monaten intensiven Studiums zwei Proben auf Magiekunde +20 und eine auf Malen/Zeichnen +12 notwendig, die jeweils um 1 für jeden Punkt, den die ZF über 10 beträgt, erleichtert sind.

Herstellung der Siegel
Je nach Material müssen zur Herstellung eines Siegels etwa 3 Holzbearbeitungs- oder Töpfernproben oder aber bis zu 9 Proben auf Goldschmied/Graveur gelingen, die um 5 bis 12 Punkte erschwert sind. Letzteres ist vor allem bei den Magischen Metallen der Fall. Aus diesem Grund gibt es auch nur wenige magische Schmiede oder kunstfertige Magier, die es vermögen solch mächtige Siegel zu fertigen.

Wirkungsverlängerung
Wie lange der APPLICATUS vom Siegel aufrechterhalten werden kann, bestimmt die bei der Herstellung eingesetzte Menge an ASP: bis zur nächsten Mondphase (Woche) W20 ASP, nächster Vollmond 2W20, nächste Sonnenwende 4W20, permanent 8W20. Von diesen Kosten sind 1/20 (abgerundet) permanent.
Besteht das Siegel aus Mondsilber, sind die ASP-Kosten um ein Drittel reduziert, bei Mindorium und Amulettmetall betragen sie die Hälfte, bei reinem Arkanium gar nur ein Viertel. Ist das Siegel einmal fertiggestellt, kann es natürlich beliebig oft mit einem APPLICATUS belegt werden.

Analyse und Entzauberung
Die Analyse von APPLICATUS-Siegeln verläuft wie in Mysteria Arkana auf S. 199 beschrieben.
Zum Zweck der Entzauberung eines Siegels kann man sich des DESTRUCTIBO ARCANITAS oder des VERWANDLUNGEN BEENDEN bedienen. Beide Sprüche sind um die bei der Herstellung eingesetzte ASP-Summe + der ASP für den APPLICATUS erschwert. Die Kosten der Entzauberung betragen beim DESTRUCTIBO die Hälfte der oben genannten ASP, beim VERWANDLUNGEN BEENDEN richtet sie sich nach den Stufen von Ver- und Entzauberer.
Es wird nur der APPLICATUS mit dem Wirkenden Spruch gelöscht - das Siegel verliert nicht die Fähigkeit weiterhin die Wirkungsdauer zu verlängern.
Es ist übrigens durchaus möglich, durch die Vernichtung des Siegels (bei Metallen keine leichte Aufgabe) den APPLICATUS kollabieren zu lassen. Allerdings sollte man die Zerstörung von der Ferne aus vollführen (IGNIFAXIUS), da eine Bearbeitung mit Hammer und Meißel im Normalfall bereits den gespeicherten Spruch auslöst ...

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