Vinsalts DSA-Ticker

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Interviews und Gespräche die Vinsalts DSA-Ticker rund um Das Schwarze Auge führt sind hier aufgelistet. Ob nun mit der DSA-Autorenschaft, mit Personen aus der "Szene" oder anderen die irgendwie etwas mit DSA zu tun haben - hier findet man die Fragen und natürlich auch die dazugehörigen Antworten.

Karl-Heinz Witzko Im Gespräch...
Karl-Heinz Witzko, über seinen Gezeitenwelt-Roman, seine DSA-Publikationen und mehr:

Wenn von Karl-Heinz Witzko die Rede ist, fallen den DSA-Spielern vor allem Maraskan und Nostria ein. Sowohl in Romanen, Gruppen- und vor allem auch in Soloabenteuern hat Karl-Heinz Witzko diesen so unterschiedlichen Regionen Aventuriens Leben eingehaucht.

Seine beiden Maraskan-Soloabenteuer Die Ungeschlagenen und Am Rande der Nacht gehören mit zu den besten - und vor allem auch stimmungsvollsten - Soloabenteuern der ganzen Reihe und seine packenden Romane, die gekonnt Verbindungen zu den Abenteuern schlagen, gehören stets zu den am besten bewerteten Romanen, denn Karl-Heinz Witzko schafft es auf unnachahmbare Weise nicht nur eine interessante Geschichte zu erzählen, sondern diese auch mit hintergründigem Humor und mitreißender Spannung darzubieten.

So heißt es nicht umsonst: "Karl-Heinz Witzko ist ein echter Goldnugget im Flusssand der 'Romane zum Rollenspiel'".

Gemeinsam mit Thomas Finn, Bernhard Hennen und Hadmar von Wieser gehört er zu den Autoren der Gezeitenwelt - sein erster Roman Das Traumbeben

Gemeinsam mit den Besuchern von Vinsalts DSA-Ticker (siehe diese Meldung) wurde Karl-Heinz Witzko für dieses Interview befragt.


DSA-Ticker: Karl-Heinz, es mag vielleicht noch DSA'ler geben die Dich nicht kennen. Daher sag doch ein paar Worte zu Deiner Person.
Karl-Heinz Witzko: Ich bin in Stuttgart geboren und aufgewachsen, habe in Dortmund studiert und wurde nach Abschluss meines Studiums als Wissenschaftler in der epidemiologischen Forschung tätig.
Anfang der 90er bekam ich Kontakt zum Schwarzen Auge und zwar durch einen Leserbrief, in dem ich einiges beanstandete, was mir damals an Aventurien nicht gefiel. Norbert Venzke, der zu der Zeit den Aventurischen Boten machte, und Uli Kiesow stimmten zwar nicht mit mir überein, fanden allerdings Gefallen an meiner Art zu schreiben. Daraus entwickelte sich ein längerer, recht spaßiger Briefwechsel.
Ich will einflechten, dass es damals noch häufig Rätsel im Boten gab, an denen man sich beteiligen konnte, ohne etwas zu gewinnen. Spaß an der Freude, eben. Ich habe damals entdeckt, dass man noch viel mehr Spaß haben konnte, wenn man absichtlich möglichst viele grotesk falsche Lösungen einsandte. Es gab z. B. ein Kreuzworträtsel, bei dem man bestimmte Lösungsbuchstaben zu STOERREBRAND anordnen musste.
Mit Hilfe eines Scrabble-Spiels konnte man allerdings zu zahlenlosen anderen, noch berühmteren Aventuriern gelangen, wie TOR STRANDEBER und OBERST TAR DERN usw. Letzterer stammt übrigens von Ina Kramer, die sich dazu überreden ließ, den Unfug mitzumachen. Armer Norbert!
Irgendwann meinte Uli, ich solle ein lustiges DSA-Solo schreiben. Heraus kam dabei Straßenballade. Der Titel ist die Aventurisierung des schönen Begriffs "Road Movie". Man reist viel, erlebt seltsame Dinge und hört viel Musik, wobei sich letzteres auf irdische Musikzitate beschränkte, die ich als (übersetzte) Textfragmente oder aventurisierte Begriffe und Namen einbaute. Wenn man sich hinreichend gut in der Musik zwischen Country Joe's Fish-Cheer und The Clash's London's Burning auskennt, so kann man mit etwas Phantasie ziemlich oft fündig werden, etwa 20 bis 30mal.

Strassenballade

Das Abenteuer war noch nicht mal erschienen, als Uli eine Fortsetzung wollte. Ich hatte zwei oder drei Tage Zeit, um mir Auf der Suche nach einem Kaiser auszudenken. Es ging dabei um Hal, den letzten wirklichen populären Kaiser. Ich dachte mir: Hal ist fort, Jim Morrison fort und Elvis sowieso. So wurde Hal zur Popikone. Musik spielte wieder eine Rolle, allerdings die der Fünfziger, weswegen sich Pagen um ihre blauen Wildlederschuhe sorgten und Krieger sich vorwarfen: Ihr seid nur ein Bluthund! (Blue Sued Shoes und You're nothing but a Hounddog für den Laien). Tatsächlich gehen etliche Anekdötchen, die ich in dem Abenteuer verquirlt hatte, auf reale von Elvis, Marilyn Monroe oder die Kennedys zurück. Diese Popgeschichte hatte ich noch mit einer Verquickung der Mythen um Los, Sumu, Saturia und Uthar vermischt.
Dummerweise hatte Uli beim Lektorieren dieses Abenteuers einen hässlichen Fehler eingebaut, so dass der Held in eine Endlosschleife geriet. Gut, der Fehler saß zwar in einem arg surrealen Teil des Abenteuers, aber im Nachhinein wundert es mich dennoch, wie viele Spieler eher davon ausgingen, verarscht worden zu sein, als einen Fehler zu vermuten, zumal ja noch anderthalb Seiten Nachspann kamen. Zu der Zeit machte ich dann auch meine ersten traurigen Erfahrungen zum Thema "Rollenspieler und Humor" als Uli einen Brief mit der Aufforderung bekam: "Herr Kiesow, lassen Sie diesen Witzko nie wieder etwas schreiben." Uli schickte mir den Brief mit der Anmerkung: Zum Glück hören wir nicht auf solche Leute!
So war das damals.

DSA-Ticker: Was hast Du nach diesem einschneidenden Erlebnis in Sachen Humor noch veröffentlicht?
Karl-Heinz Witzko: Meine Texte wurden danach deutlich blutrünstiger. Frei nach dem Motto: Lachen böse, Leichen gut. Das hat jetzt in meinem neusten Roman dazu geführt, dass selbst einer der Hauptfiguren, eigentlich einem Söldner, das dauernde Gemetzel auf die Nerven geht.

Anschließend habe ich noch zwei weitere Soli geschrieben, nämlich Am Rande der Nacht und Die Ungeschlagenen.
Danach war ich es leid gefragt zu werden: "Wann schreibst du mal ein richtiges Abenteuer?" Ein Solo, bei dem man den Leser in 6-Zeilen-Häppchen interessieren muss, verlangt nämlich sehr viel mehr Arbeit als ein Gruppenabenteuer, in dem man mal zwei Seiten Zufallsbegegnungen oder Beschreibungen unterbringen kann. Ein Abenteuer habe ich dann erst wieder nach der Jahrtausendwende verfasst.
Es begann nun die Zeit der Romane. Ich habe ein halbes Dutzend Bücher fürs Schwarze Auge geschrieben, nämlich zwei um Scheijian von Tarschoggyn, mit dem ich eine nach meinem Verständnis wirklich graue Figur präsentieren wollte, drei weiter um König Dajin und schließlich Westwärts Geschuppte, der eine beeindruckende Menge von Lesern veranlasste, bei Amazon eine Kritik zu schreiben. Hinzu kam noch eine etwas schwermütige Geschichte namens Seelenfrieden, die in dem Sammelband Gassengeschichten enthalten ist. Auf die Mitarbeit an diversen Regionalboxen, dem Almanach etc. will ich jetzt nicht weiter eingehen.

DSA-Ticker: Offiziell wurde darüber kein Wort verloren - stimmt es aber, dass Du nicht mehr für Das Schwarze Auge tätig bist?
Karl-Heinz Witzko: Das stimmt und zwar seit Anfang 2003.

Auf der Suche nach einem Kaiser

DSA-Ticker: Wie kam es dazu?
Karl-Heinz Witzko: Mein lieber Jens, wir kennen uns ja seit etlichen Jahren, aber über diese Frage musste ich wirklich lange nachdenken, um eine halbwegs neutrale Antwort zu finden.
Ich will's mal so ausdrücken: Es ging um Rechte. Wenn man als Autor in einer Spielwelt schreibt, die einem nicht gehört, hat man nicht sehr viele Rechte, selbst an Dingen, die man zu 100% selbst erfunden und groß gemacht hat. Solange man Fan ist, stört einen das nicht, weil man denkt, dass man ohnehin nie z.B. Maraskan nach D&D exportieren wird. Das ändert sich allerdings, wenn man sich plötzlich in der Lage wiederfindet, von seinen eigenen Erfindungen ausgeschlossen zu werden (womit ich nicht Nostria meine), ohne dass es irgend jemand interessiert außer den eigenen Freunden. In dem Fall muss man sich dann doch fragen, wie viel man bereit ist, für ein Hobby zu ertragen.
Mein letztes Abenteuer war Jenseits des Lichts, mein letzter Roman Westwärts, Geschuppte!. Es gibt gewiss schlechtere Zeitpunkte, um sich neuen Betätigungen zuzuwenden.

Am Rande der Nacht

DSA-Ticker: Das heißt also auch, dass Du nicht für den Nostria-Teil in der kommenden West-Spielhilfe verantwortlich sein wirst?
Karl-Heinz Witzko: Nein. Soweit ich mich erinnere, wurde ich auch gar nicht erst gefragt. Und wie wir seit neuestem wissen, wird ja offenbar nichts übrig bleiben von dem, was ich über die Jahre hinweg dazu geschrieben habe.

DSA-Ticker: Könnte man - angesichts anderer Vorbilder, die auch bisweilen sehr humorig sind, nicht auch von einer "kreativen Pause" sprechen?
Karl-Heinz Witzko: Ich kann's mir eigentlich nur schwer vorstellen.

DSA-Ticker: Kramen wir daher ein wenig in der Vergangenheit - wie kam es denn dazu, dass Du Dich ausgerechnet den (damals) eher unscheinbaren Regionen Maraskan und Nostria gewidmet hast?
Karl-Heinz Witzko: Ich hatte Nostria als eine der ersten Regionen kennen gelernt. Die wesentlichen Parameter waren vorgegeben und ich habe dann versucht, innerhalb dieser Vorgaben zu schreiben bzw. sie ab und zu sinnvoller zu machen.
So hieß es damals: Andergast und Nostria führen seit Anbeginn ihrer Geschichte Krieg und sind jetzt beim 15. angelangt. Man muss kein großer Rechenkünstler sein, um zu erkennen, dass die meisten irdischen Staaten mit fünfzehn Kriegen in fast 2000 Jahren als besonders friedfertig gelten würden. Also habe ich dann eingeführt, dass die Einheimischen fast so viele Wörter für Krieg haben müssen, wie die Inuit für Schnee. Das ergab dann mehr Sinn. Ich denke oft sehr mathematisch, wie man sieht...

Die Ungeschlagenen

Maraskan ergab sich aus einem Abenteuer-Wettbewerb von Schmidt-Spiele. Michael Meyhöfer und ich wollten uns daran beteiligen und Maraskan war eine Gegend, zu der es zu dem Zeitpunkt noch nichts gab bzw. nur ein Solo. Ursprünglich fand ich die Gegend nicht mal so interessant, aber ich habe dann eben für den Wettbewerb die erste Version des Rur-Gror-Glaubens aus den damaligen Quellen entwickelt.

DSA-Ticker: Und Rur hat nichts mit Deinem Studienort Dortmund, mitten im Ruhrgebiet, zu tun gehabt?
Karl-Heinz Witzko: Nein, sonst hießen die Göttlichen Zwillinge ja Rur und Emscher.

DSA-Ticker: Gab es irgendwelche historische oder fiktionale Vorbilder, oder hast Du Dir diese beiden Regionen und ihre Besonderheiten samt und sonders selbst ausgedacht?
Karl-Heinz Witzko: Nein, es gibt eigentlich keine. Ich finde die Orientierung an irdischen Vorlagen auch einigermaßen langweilig. Und da ich ursprünglich eher Science Fiction- als Fantasy-Leser war, habe ich den Sinn dieser Anlehnungen eh nie so recht verstanden. Man ist natürlich nicht frei von Einflüssen. So war etwa die (nun nicht mehr existente) nostrische Malerei eine Mischung aus William Blake und Sozialistischem Realismus. Aber direkte Vorbilder gab es nicht.

Jenseits des Lichts

DSA-Ticker: Maraskan wurde schon immer etwas stiefmütterlich behandelt, als einzige Region Aventuriens die keine richtige Regionenbeschreibung hat (von den paar Seiten in der Box Borbarads Erben abgesehen)... ist in Zukunft mit einer Besserung der Lage zu rechnen, oder wird die Insel niemals so "durchleuchtet" werden wie z.B. das Horasreich?
Karl-Heinz Witzko: Dazu kann ich nicht mehr viel sagen. Es war von mir immer als Sammlung von Bausteinen und Entwicklungsregeln gedacht. Ich bin vor allem Spieler. So wurde etwa nie ein Oberhaupt des Schikanydads etabliert, einfach deswegen weil es "maraskanisch" ist, das Staatsoberhaupt gelegentlich umzubringen. Das kann man natürlich, wenn es nur einen Rat mit Fraktionen gibt. Allerdings glaube ich nicht, dass das von Dauer sein wird. Angeblich war ja schon manchem das kleine Nostria zu komplex.

DSA-Ticker: Es gibt viele Leser die die Figur des Sheijian sehr mögen. Hast Du hier einem rollenspielerischen Alter Ego von Dir literarische Weihen zukommen lassen?
Karl-Heinz Witzko: Jain. Ich habe frühzeitig eine Blaupause entwickelt, weil ich wissen wollte, wie so eine Figur (mit einigen Fantasy-Zugeständnissen) funktionieren könnte. Der "literarische" Scheijian ist sehr viel nachdenklicher als der gespielte und hat erheblich geringere Fähigkeiten. Eine solche Blaupause gibt es auch für die Söldner, die ich gelegentlich darstelle.

DSA-Ticker: Die Geschichte um Alrik, Alrik, Alrik und den Vetter Alrik - bekannt aus dem Roman Westwärts Geschuppte! handelt davon, dass ein Weg nach Myranor gesucht wird. Was hältst Du vom Myranor als Fantasy-Setting - insbesondere im Gegensatz zu Aventurien?
Karl-Heinz Witzko: Ich habe dafür zwar die Chrattac entwickelt, weil ich ein Volk, dessen Kommunikation auf Eiweißen beruht, sehr spannend fand, aber nie dort gespielt, weswegen ich eigentlich nichts dazu sagen kann. Ursprünglich dachte ich, das Güldenland solle quasi eine Erweiterung der bisherigen Aventurienkarte werden, aber es wurde ja dann ein ganz anderes Spiel.

DSA-Ticker: Gibt es denn den Hauch einer Chance, dass die Alriks noch ihren Weg gen Myranor finden? Oder wird es bei dem offenen Cliffhanger-Ende bleiben?
Karl-Heinz Witzko: Leider ist das so. Ich hatte, wie man sich denken kann, eine Forstsetzung geplant. Ich hatte sogar diesen zweiten Teil und alternativ eine sehr, sehr düstere Geschichte dem Verlag angeboten. Doch dann endeten die Verträge zwischen FanPro und Heyne, so dass nichts mehr daraus wurde.

Treibgut

DSA-Ticker: Hauptsächlich bist Du als Autor von Soloabenteuern bekannt geworden. Hat das einen bestimmten Grund? Oder magst Du es mehrere Handlungsstränge in kleine Texthappen aufzuteilen, diese mit Nummern zu versehen und dann durcheinander gemischt aneinanderzureihen?
Karl-Heinz Witzko: Uli wollte ursprünglich Soli von mir und war damit auch sehr glücklich. Ich konnte deutsch, was nun leider keine Alltäglichkeit ist, und habe ihn zum Lachen gebracht. Ich war - abgesehen von der mangelnden Anerkennung, die man für Soli bekommt - mit dem Schreiben ganz zufrieden. Wie man gerade bei meinen letzten beiden Abenteuern sieht, hatte ich auch angefangen, mit dieser Erzählform zu experimentieren. Dann kamen aber die Romane, die ganz andere Möglichkeiten boten.

DSA-Ticker: Du hast ja sicherlich auch schon von den DSA-Abenteuern auf dem Handy gehört. Da es sich hierbei um Soloabenteuer handelt - wäre das nicht ein gangbarer Weg um endlich wieder dem Meuchelmörder Scheijian, Schwester Milibethjida oder gar dem Prinzen Kasparbald zu begegnen?

Karl-Heinz Witzko: Stefan Blanck ist ein alter Freund von mir, der mich letztes Jahr fragte, ob ich etwas schreiben wolle. Ich habe nach einigem Nachdenken zugestimmt.

DSA-Ticker: Was heißt das konkret? Was für ein Abenteuer können wir erwarten? Wo wird es spielen?
Karl-Heinz Witzko: Es wird von einer arg ungewöhnlichen Erbschaft handeln und auf den Zyklopeninseln beginnen. Allerdings bleibt man da nicht.

DSA-Ticker: Wann wird es ungefähr erscheinen?
Karl-Heinz Witzko: Im Laufe des nächsten Quartals.

Danilo von Cres (der Spielerbaron von Karl-Heinz Witzko) DSA-Ticker: Aventurien ist fraglos mehr als Maraskan und Nostria - welche anderen Regionen interessieren Dich denn ansonsten noch?
Karl-Heinz Witzko: Almada, etwa.

DSA-Ticker: Was reizt Dich an Almada?
Karl-Heinz Witzko:: Ich bin dort seit Jahr und Tag Briefspieler. Daraus ergibt sich ein natürliches Interesse.

DSA-Ticker: Hoffen wir einfach mal, dass Du irgendwann wieder für DSA schreibst - denn Vinsalt gibt es nur in Aventurien...
Karl-Heinz Witzko: Never say never - ich weiss.

Spuren im Schnee

DSA-Ticker: Wechseln wir mal eben das Setting - hinfort von Aventurien, Myranor und DSA zur Gezeitenwelt. Kannst Du das Konzept, was hinter der Gezeitenwelt steht, in einem Satz beschreiben?
Karl-Heinz Witzko: Nein, das ist viel zu komplex. Aber ich versuch es trotzdem mal aus der Sicht meiner Geschichte: Es geht um eine Welt, über die via kosmische Katastrophe die Hölle hereinbricht, um Mad Max und Max Guevara in einem tropisch-mittelalterlichen Setting, um Timothy Leary und DCBA 25 und jede Menge Finsternis, sowohl wörtlich als auch als Sprachbild.

DSA-Ticker: Worin besteht für dich als Autor der besondere Reiz des Gezeitenwelt-Projekts?
Karl-Heinz Witzko: Es ist vor allem ein weiterer Schritt in meiner Entwicklung als Autor.

DSA-Ticker: Eure ersten vier Geschichten bilden quasi die Eckpfeiler der Gezeitenwelt-Saga, wobei Dein im Oktober 2004 erscheinender Roman Das Traumbeben die erste "Staffel" dieses Epos beschließt. Die ersten vier Storylines setzen nun aber alle zum gleichen Zeitpunkt, also der Weltenkatastrophe, ein. Interessanterweise habt ihr es bisher meisterlich geschafft, Euch thematisch nicht zu wiederholen. Wie sieht nun dein Ansatz aus, diese Klippe zu umschiffen?
Karl-Heinz Witzko: Die Kultur, die ich beschreibe, unterscheidet sich schon mal grundlegend von den anderen dreien. Wir beginnen in Ikarilla, dem Land der Kokospalmen, stolzen Reiter und mindestens dreitausend Heiligen. Dreiviertel meiner Geschichte beschreiben das erste halbe Jahr nach der Katastrophe.
Ich zeige am Beispiel einer Großstadt, wie sich dieser Zeitenwandel auf das Leben einiger sehr einfacher, aber nicht ganz alltäglicher Menschen auswirkt. Wie sie in einer Welt, die zu einem Kadaver wurde, manchmal Opfer und manchmal Täter sind. Wie das Leben in einer Welt abläuft, in der manche Menschen denken, gerade noch einem Mordanschlag ihres Schöpfers entkommen zu sein, während nach Meinung anderer ein Weltuntergang kein punktuelles Ereignis ist, sondern ein lang andauernder Prozess. Solche Verhältnisse treiben seltsame Blüten. Ich bin ich eigentlich ein Very-low-Fantastiker, auch wenn mein Schmetterlingsmann sehr populär wurde. Das macht den Sprung um so größer, wenn dann irgendwann doch sehr seltsame Dinge geschehen.

Tod eines Königs

DSA-Ticker: Bernhard, Hadmar und Tom erklären immer wieder auf Cons und Lesungen, dass sie im Rahmen der Gezeitenwelt Ideen umsetzen können, die ihnen auf einer Welt wie Aventurien verwehrt blieben. Verfolgst du ebenfalls Ansätze, die auf Aventurien so nie möglich waren?
Karl-Heinz Witzko: Nein, eigentlich gar nicht.
Tatsächlich überlege ich bisweilen, Ideen, die ich aus Zeitgründen in Aventurien nicht verwirklichen konnte, in diese neue Welt zu transportieren. Ich kann zwar in Ikarilla, dem Land, in dem mein Roman spielt und das ein paar Millionen Einwohner hat, Zehntausende von Menschen knechten, quälen, umbringen, was in Aventurien nicht ginge, aber wenn ich Grusel und Schrecken will, so reicht mir ein einziges Schicksal. Ich brauche keine tausend armen Seelen.
Was ich allerdings kann, ist auf Metaphern zurückgreifen, die mir in Aventurien verwehrt sind. Ich hatte dort zwar die Niederhöllen, aber die sind nicht halb so griffig, wie Hölle, Fegefeuer, Verdammnis und traditionelle Todsünden. An diesen Konzepten hat die Menschheit ein paar Jahrtausende länger gearbeitet als an den Niederhöllen und das merkt man.
Es gibt traditionelle Beschäftigungen mit dem Thema, wie man sie etwa alten, religiösen Bildern findet, oder auch modernere, wie z.B. bei Sartre.

Die beiden Herrscher

DSA-Ticker: Es heißt immer wieder, dass die Romane in sich abgeschlossen sind. Heißt das, dass man theoretisch auch mit deinem Roman Das Traumbeben einsteigen könnte?
Karl-Heinz Witzko: Aber natürlich. Absolut.

DSA-Ticker: Dein Roman soll ja in einer Stadt namens Sadi angesiedelt sein. Ist Sadi von der Kultur her ähnlich exotisch aufgebaut, wie du es auf Maraskan in Aventurien vorgemacht hast? Oder etwa ähnlich "chaotisch" (im liebevollen, tüddeligen Sinne) wie Nostria?

Karl-Heinz Witzko: Sadi ist eine sehr düstere Stadt und während die Maraskaner noch Trost in ihrer Religion finden, gelingt das den Sadiern trotz ihrer über 1000 Heilige nicht. Es ist eine sehr tropische Stadt mit Palmen, wo die Männer in Röcken herumlaufen. Fast alle, jedenfalls. Die Stadt ist Teil eines Landes mit einem sehr unabhängigen und despotischen Adel.

DSA-Ticker: In Tom Finns Roman Das Weltennetz verschlägt es dessen Protagonisten einige Kapitel lang nach Sadi - was ja sicher kein Zufall ist. Wie man dort nachlesen kann, bleibt eine der Figuren, ein Kapitän namens Anaxketos, in der Stadt zurück. Und mit ihm eine seltsame Kiste mit drei Schlössern. Werden wir im Traumbeben erfahren, wie es mit ihm und der Kiste weitergeht? Oder habt ihr Autoren mit dieser Figur noch andere Pläne vor?
Karl-Heinz Witzko: Ich hatte es geplant, aber wegen der ausufernden Handlung keinen angemessenen Platz gefunden. Vergessen ist die Figur nicht.

Die Königslarve

DSA-Ticker: Du bist als Autor dafür bekannt, dass deine Romane stets einen ganz besonderen Charme genießen - siehe das Stichwort "Goldnugget im Flusssand der Rollenspiel-Romane". Wird dieser Stil auch Das Traumbeben zu einem echten Witzko machen?
Karl-Heinz Witzko: Ganz bestimmt sogar. Es gibt Dinge, die meine Leser von mir erwarten. Ich weiß allerdings auch, dass die meisten bereit sind, sich auf Experimente einzulassen. Ich versuche ihnen, das alles zu geben. Deswegen ist der Roman stellenweise sehr düster, manchmal sehr lustig und wirklich makaber. Er bietet etliche Doppelbödigkeiten und einige sehr schöne Helden. Besonders einer dürfte sehr beliebt werden. Zudem habe ich mir stilistisch etwas sehr Nettes einfallen lassen.

DSA-Ticker: Wenn vier Autoren an einem Projekt schreiben, bedeutet dies doch zwangsläufig unterschiedlich-individuelle Herangehensweisen an die Welt, an den Storyaufbau und die Art und Weise, wie ihr schreibt. Beschreibe doch mal anhand des Traumbebens, wie du als Autor an einen Roman herangehst. Inwieweit sprecht ihr euch untereinander ab? Plottest du deine Romane in allen Einzelheiten vor? Lässt du dich von der Handlung eher überraschen? Gab es Ideen und Konzepte, von denen du dich verabschieden musstest, weil sie mit denen deiner Kollegen nicht harmonierten?
Karl-Heinz Witzko:: Meine Ideen sind am Anfang immer sehr einfach, etwa "Mörder klärt Mord auf". Dafür suche ich mir dann Handlungsschauplätze, die ich stückchenweise in Handlungseinheiten untergliedere. Ich habe am Anfang ein großes, vages Bild dessen Einzelheiten erst langsam klarer werden.
Das Schreiben ist ein Prozess, bei dem ich Zusammenhänge entdecke, die mir ursprünglich nicht bewusst waren. Etwa dass zwei Personen dieselben sind, dass ein Symbol/Sprachbild mehr bedeutet, als ich ahnte, oder dass ich - wie jetzt - plötzlich erkenne, wer die Schlange in mein kleines Paradies hereinließ. Das wird dann rückwirkend angepasst und verstärkt. Mit vollständigem Plotten hat das nichts zu tun. Es gibt allerdings Regeln, die ich aufstelle, etwa über die wichtigsten Symbole, die ich verwende und wiederkehren lasse. Bei dem Buch gab's auch von vornherein Regeln für den gelegentlichen Humor.
Na ja und bei einem solchen Gemeinschaftsprojekt muss man sich zwangsläufig mitunter anpassen. Allerdings versuchen wir uns ja auch Freiräume zu lassen. Rur liebt die Vielfalt und Vielfalt ist unsere Stärke. grinsender Smiley

Westwärts, Geschuppte!

DSA-Ticker: Bei der Gezeitenwelt arbeiten ja nicht nur kreative Schreiberlinge mit, sondern auch bekannte und bewährte Grafiker und Zeichner wie z.B. Franz Vohwinkel und Caryad. Wie wichtig ist Deiner Meinung nach deren Arbeit für Eure Romane?
Karl-Heinz Witzko: Sie machen sie schöner. Sie leisten nach meinem Verständnis einen eigenständigen Beitrag.

DSA-Ticker: Kannst Du hier auch Vergleiche zu DSA ziehen? Maraskan ist ja nicht nur in Wort sondern auch in Bild beschrieben - z.B. in Deinen Soloabenteuern oder aber in Borbarads Erben.
Karl-Heinz Witzko: Ich habe jetzt natürlich sehr viel mehr Kontrolle über das, was die Zeichner machen. Bei DSA habe ich eine Liste mit Vorschlägen eingereicht und mich dann irgendwann vom gedruckten Ergebnis überraschen lassen. Manchmal freudig, manchmal nicht so freudig.
Jetzt gehen meine Vorschläge an Piper:
"Ich stelle mir eine Festszene in der Art von Alma-Tademas A Dedication to Bacchus vor, aber nicht römisch, sondern samoanisch."
Aus München kommt dann zurück:
"Gefällt uns, machen Sie" oder "Wählen Sie lieber etwas anderes".
Im ersten Fall bekommt Caryad dann eine Sammlung von Beispielen, also Bilder und Texte, so dass sie einen Eindruck gewinnt, was ich mir vorstelle. Irgendwann schickt sie Entwürfe. Das geht also interaktiv.

Magus Magellan (v.l.n.r.: Bernhard Hennen, Hadmar von Wieser, Karl-Heinz Witzko, Thomas Finn)

DSA-Ticker: Haben die Zeichnungen der Gezeitenwelt einen rein illustrativen Charakter - oder stimmen die Gerüchte, dass in manchen Werken auch Geheimnisse und Rätsel vorhanden sind, auf die man erst bei genauerem Hinsehen stößt? Sollte man daher als Leser auch im Traumbeben einen genaueren Blick auf die Zeichnungen werfen?
Karl-Heinz Witzko: Das hält jeder wie er will. Ich sehe Illustrationen eher als eigenständige Angelegenheit an, die man deshalb näher betrachten sollte, weil Franz oder Caryad sich etwas Hübsches ausgedacht haben.
Meine Rätsel sind in den Texten verborgen und harren eher zufälliger Entdeckung. Bei Westwärts waren ja einige findige Leute begeistert, als sie entdeckten, dass ein Herr Tempestarupes nur ein weiterer Sturmfels ist. Im Traumbeben geht's ein bisschen bildungsbürgerlicher zu. Es geschieht nicht grundlos, wenn ich Alighieri oder John Carpenter zitiere, aber man muss das nicht alles verstehen.

DSA-Ticker: Denkt man an die Gezeitenwelt, fällt einem sofort eure geheimnisvolle Runenschrift ein, die alle eure Romane wie eine Geheimschrift durchziehen und die man als Leser erst nach und nach entziffern kann. Wird es, wie beim Weltennetz, wieder einen Text zum Knobeln und Entziffern geben? Tun sich im Traumbeben neue Rätsel auf?
Karl-Heinz Witzko: Aber sicher doch. Allerdings bin ich kein großer Rätselfan. Ich mache nur bei Preisausschreiben mit, bei denen auf der Postkarte ausdrücklich die Lösung steht, und spiele Doom mit Cheatcode.

DSA-Ticker: Schaut man sich das Cover eines Romans an, fällt einem natürlich neben dem Titelbild, was gerade im DSA-Bereich nicht immer zum Inhalt passen muss, auch der eigentliche Titel ein. Dein Gezeitenwelt-Roman wird Das Traumbeben heißen - was verbirgt sich hinter diesem verheißungsvollen Titel?
Karl-Heinz Witzko: Das ist eine meiner üblichen Vieldeutigkeiten. In der Königslarve stand ja "Larve" gleicherdings für etwas, das noch schlüpft oder etwas, das verbirgt. Das Traumbeben bezeichnet etwas ziemliches Schreckliches, das mit unserem speziellen System übernatürlichen Wirkens zu tun hat.

Das Traumbeben

DSA-Ticker: Wenn die Autoren mehr Einflußmöglichkeiten auf die Illustrationen haben - dann wirst Du sicherlich auch etwas zu dem "Motiv" des Covers sagen können? Was genau sieht man darauf?
Karl-Heinz Witzko: Das Cover ist ein Zeugnis höchst erfolgreichen Wahrträumens. Ich werde gelegentlich gefragt, was das für ein seltsamer Ammonit sei, den man darauf erkennen kann. Darauf gibt es eine einfache Antwort: Genau!

DSA-Ticker: Neuerdings firmieren die Gezeitenwelt-Autoren als Magus Magellan. Was hat es damit auf sich?
Karl-Heinz Witzko: Damit sollte unterstrichen werden, dass die Bücher eine gemeinsame Serie sind und nicht wahllose Bücher beliebiger Autoren. Ausserhalb der DSA-Leser kennen uns ja noch nicht so viele.

DSA-Ticker: Was hat es mit dem Geheimnis der Gezeitenwelt auf sich?
Karl-Heinz Witzko: Das ist ein gemeinsamer Roman von Bernhard Hennen, Tom Finn, Hadmar von Wieser und mir, der uns weit un die Vergangenheit führt.

DSA-Ticker: Du hast ja inzwischen Das Traumbeben schon fertig geschrieben. Was kann man als nächstes von Dir erwarten?
Karl-Heinz Witzko: Das weiss ich selbst noch nicht. Bis zu meinem nächsten Beitrag für die Serie wird ja noch etwas Zeit verstreichen, so dass ich mir demnächst mal Gedanken um ein ganz anderes Projekt machen muß.

DSA-Ticker: Zum Abschluss darf man nicht vergessen - die Gezeitenwelt-Autoren sind vor allem eins: Rollenspieler und Rollenspielautoren. Liegt es da nicht nahe den Schritt vom Buch zum Rollenspiel zu gehen?
Karl-Heinz Witzko: Es liegt so vieles nahe, Jens. Etwa dass ich unsere alten Chatprotokolle aus AOL-Tagen dem Horaskanzler zuspiele. Du weißt schon: Deine Aussagen über Amene. Mehr möchte ich dazu jetzt nicht sagen.

DSA-Ticker: Ahem - ich danke Dir für dieses Interview. Gibt es noch etwas was Du den Lesern von Vinsalts DSA-Service mitteilen möchtest?
Karl-Heinz Witzko: Ach, nö. grinsender Smiley


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