Aventurischer Bote
Blickpunkt Almada

Diese Artikel sollte eigentlich im Aventurischen Boten (Ausgabe 68) erscheinen, doch da dieser anscheinend wohl so schnell nicht mehr erscheinen wird, werden sie hier abgedruckt. Die Artikel werden mit freundlicher Genehmigung der DSA-Redaktion veröffentlicht.

Gareth:

An die Schrittfolgen eines Joborner Hussas erinnerten die sprachlichen Verrenkungen der nostrischen Diplomaten in den letzten beiden Wochen. Doch ist es zugegebenermaßen nicht leicht, sich zu einem Vorfall äußern zu müssen, der innerhalb weniger Stunden und Tage nacheinander als "Dreister Akt der Piraterie", "Flottenbesuch" und "Staatsakt" bezeichnet wurde.
Worum ging es? Das Königreich an der Tommel feierte im Tsamond das 1000-jährige Krönungsjubiläum Andaryns des Prächtigen, was wohl eher als symbolischer Akt in diesen schweren Zeiten zu verstehen ist, da Fürst Andaryn II den nostrischen Thron erst im Jahre 765 v. H. bestieg. Anläßlich der Jubiläumsfeier sollte in Salzerhaven die Efferdskrone zu ihrer Tsafahrt aufbrechen. Dieses neueste Schiff im Dienste der nostrischen Flotte war schon während seines Baus Gegenstand zahlreicher Anekdoten gewesen. So munkelte man etwa, daß die beiden Baumeister, Signor Urensteen ya Grangor und Danilas von Vardall sich so zerstritten hätten, daß sie zeitweilig unabhängig voneinander und jeder nach seinen eigenen Plänen an der Efferdskrone bauten. Wahr oder nicht, herausgekommen ist bei den Bemühungen der beiden Baumeister ein Hybrid, den man wohl am ehesten als Schivogge bezeichnen könnte, ein schnelles Schiff, jedoch mit ungewöhnlichem Seeverhalten. Denn kaum hatte die Efferdskrone den Hafen von Salzerhaven verlassen, da legte sie sich in der etwas unruhigen See so bedenklich auf die Seite, daß die Zuschauenden in laute Schreckensschreie ausbrachen, befürchteten sie ja schon das Kentern des Schiffes. Doch gefehlt, denn alsbald richteten sich die Masten wieder auf, doch nur um sich zur anderen Seite zu neigen. So hüpfte und bockte die Efferdskrone über die aufgewühlten Wellen, daß rasch das Wort Efferdskorken die Runde machte.
Ein ungewöhnlicher Stapellauf, doch ungewöhnlicher sollte er werden. Statt wie geplant einige Zeit vor Salzerhaven zu kreuzen, um dann unter Jubel in den schützenden Hafen zurückzukehren, schlug die Efferdskrone plötzlich Südkurs ein und verschwand hinter dem Horizont. Nach etwa einer Stunde wich das angespannte Warten der Repräsentanten des Hofes heller Aufregung. Wo blieb das neue Schiff? Warum kehrte es nicht zurück? Mit einem Mal wurde von mehreren Stimmen der schreckliche Verdacht geäußert: Die Efferdskrone war gekapert worden!
Es dauerte nicht lange, bis die ebenfalls in Salzerhaven vor Anker liegenden Schiffe Gnadenlos und Zermalmer die Verfolgung des entführten Schiffes aufnahmen, denen sich auf der Höhe von Nostria-Stadt noch die Wüterich und die Furchtbar anschlossen. Diese Jagd währte bis Havena. Im Hafen der albernischen Stadt, die somit unversehens Besuch bekam von fast der gesamten Nostrischen Seewehr, stellten die Jäger endlich ihre Beute. Allein, die Entführer - offenbar der Verfolgungsjagd leid - hatten das Schiff bereits verlassen!
Vom Kapitän der Efferdskrone erfuhr man, wer ihn zu dieser ungeplanten Fahrt bewogen hatte: ein Mitglied des Herrscherhauses, Prinz Ingvalion Kasparbald, ein Enkel des nostrischen Monarchen. Was den jungen Prinzen und seine Gefährten, unter denen sich auch der Gelehrte und Aventurienbummler Asandrio Urfanyn befinden soll, zu ihrer Tat bewogen, und was ihr ursprüngliches Ziel gewesen seien, darüber konnte der Kapitän allerdings keine Auskunft geben. "Ihr kümmert Euch um das Schiff, wir uns um den Rest!" mehr habe man ihm nicht gesagt.
Doch wo war der Prinz Nostriens abgeblieben? Wie sich erwies, war er nicht mehr in Havena. Für einige Tage herrschte Ungewißheit über seinen Verbleib, bis er endlich wieder in Grangor beim Anmieten des Schiffchens Thamos gesichtet wurde. Was danach geschah entzieht sich genauerem Wissen. Offenbar verhinderten die Grangorer Behörden zunächst das Auslaufen der Thamos, während gleichzeitig heftiger diplomatischer Verkehr zwischen dem Vinsalter Hof und seinem nördlichen Bündnispartner einerseits, und Verhandlungen zwischen dem nostrischen Gesandten und dem Prinzen andererseits stattfanden. Als Ergebnis dieser Verhandlungen verließ die Thamos Grangor, immer noch auf unbekanntem Südkurs, jedoch unter dem Geleitschutz eines Schiffes der Horaskaiserlichen Hochseeflotte.
War in Salza noch von einem Piratenakt gesprochen worden, in Havena von einem gutnachbarlichen Flottenbesuch, so lautete nun für einige Tage die offizielle Lesart, der Prinz habe zunächst ein Flottenmanöver befehligt, danach einen Staatsbesuch vollzogen.
Mittlerweile hat Graf Droderon von Ingvalsrohden, IB, NM vom Hauptkomturaluffiz für Nostrische Belange, die Order ausgegeben, daß die Aventür des Prinzen unter den "Erlasz – dye Bleue Keuch betreffend" aus dem Jahre 1433 d.U. falle, also geheim sei. Manchem Hofbeamten des Tommelreiches mag nach dieser Weisung ein Stein vom Herzen gefallen sein.
khw