"Im verflossenen Jahr besuchten 7tausend085 Pilger das Heiligtum und steigerten EFFerds Schatz um 4tausend276 Dukaten. Erfreulicherweise konnten sechs Novizen aufgenommen werden. Drei unserer Brüder traten die Große Fahrt an, auf der EFFerd sie geleiten möge!"
'Rolle der Jahre' des Effertempels zu Grangor, 30. Rahja 981 n. BF
Der Dienst an den Göttern und dem himmlischen Alveran besteht aus Beten, Opfern und Preisen, sei es auf dem Felde, daheim im stillen Kämmerlein oder im örtlichen Tempel. Aber er besteht auch darin, an ihre heiligen Orte und gloriosen Sakralen zu reisen, um in Demut und Ehrfurcht die Wahrheit des Glaubens mit den eigenen Sinnen zu vernehmen: Pilger sind zu vielen Zeiten auf allen Straßen und Wegen Aventuriens unterwegs. Seien es die Gläubigen der Peraine, die aus über hundert Kehlen lange Gebete vor sich hin brummen, oder eine Adelsgesellschaft, die hoch zu Roß und mit einem Wagen voll Opfergold auf ein Praiosheiligtum zusteuert.
Ursprung
Reisen zur Buße oder eine Queste zu einem göttlichen Ort waren vor allem im güldenländischen Kulturkreis seit Menschengedenken bekannt: Angefangen bei der Sage, die ersten Aventurier seien Büßende gewesen, die für die Zwölfe einen neuen Kontinent erobern wollten.
Regelmäßige Wallfahrten führten die Priesterkaiser ein. Sie ließen ihre Statthalter Untertanen aus allen Himmelsrichtungen nach Gareth, der Stadt des Lichts kommen, um ihnen die Ehrfurcht vor dem König der Götter auf immer einzubrennen. "Jede Knute weist nach Gareth" sagt eine Redewendung aus jener Zeit.
Die Priesterkaiser gingen, doch der Brauch blieb. Langsam wurde er von anderen Kirchen übernommen. Der kirchliche Zwang zur heiligen Fahrt fiel weg, wovon sich religiöse Landesherren und eifrige Geweihte aber nicht abschrecken ließen und ihre Untergebenen oft auf befohlene Pilgerfahrten schickten.
Pilger
Adligen, Bürgern und Freien stehen keine Hindernisse zu einer Pilgerfahrt im Wege: Als heilige Sache wird sie von Bekannten und vor allem dem örtlichen Tempel unterstützt. Hinterbliebene werden versorgt, bei weiten und langen Reisen, die über unsichere Wege führen, regelt man gar bereits den Nachlaß.
Unfreie und Leibeigene sind dagegen von der Gunst ihres Herren abhängig. Da die Initiative für eine Wallfahrt aber meist von örtlichen Geweihten ausgeht, wird dieser Bitte für gewöhnlich nachgegeben. Eine Absage wird dagegen erteilt, wenn wichtige Aufgaben anstehen wie etwa der Bau einer Burg, im Kriegsfall oder wenn es schlicht zuwenig Hände für die Arbeit auf Hof und Feld hat. Allenfalls jeder zehnte Erwachsene aus einem Dorf darf eine solche Reise antreten - die anderen vertröstet man auf nächstes Jahr.
Meist ist es die einzige Reise, die ein Landmann in seinem Leben unternimmt, die einzige Gelegenheit, ferne Länder zu sehen, fremdartige Speisen zu essen und exotische Sprachen zu hören. Die andere Möglichkeit ist nur der grausame Kriegsdienst.
Pilgerkarten sind vermutlich noch vor Seekarten die häufigsten graphischen Darstellungen Aventuriens, die man finden kann: Sie zeigen am oberen Kartenrad jeweils das Ziel der Wallfahrer und darunter alle Wege und wichtigen Stationen, die dorthin führen. Vor allem von der Kaiserstadt ("Alle Wege führen nach Gareth."), Kuslik, Al'Anfa, Zorgan, Mantrash'Mor und Grangor existieren solche Werke.
Die Reise
Im nördlichen Aventurien beginnen Pilgergruppen witterungsbedingt ihre Reise meist am Tag des Aufbruchs (8. Ingerimm), eigentlich ein zwergischer Feiertag, und wollen spätestens bis zum Tag der Heimkehr (1. Travia) wieder zurückkehren. In Mittel- und Südaventurien prägen die Wallfahrer zu allen Zeiten das Straßenbild.
Für die Tage ohne Namen wird jede Wallfahrt unterbrochen und in Geborgenheit für das neue Jahr gebetet. Manche Pilgergemeinschaft, die dieses Gebot von starrsinnigen Bannstrahlern geführt mißachtete, um rechtzeitig zum Praiosfest den Tempel der Sonne zu erreichen, verschwand spurlos - mitten in der Goldenen Au von Gareth.
Die Geweihten sind Vorbilder und Anführer der Pilger: Sie müssen die Gruppe zusammenhalten, Streit schlichten und Recht sprechen. Unhaltbare Frevler werden ausgestoßen - in einem fremden Land der sichere Weg in ein ruheloses Dasein als Tagelöhner, Bettler oder Vagabund. Teilnehmer einer Wallfahrt sind von allen weltlichen Verpflichtungen und Gesetzen entbunden, sie gelten für diese Zeit als Teil der Kirche. Ihnen ist Obdach und Gastfreundschaft zu gewähren, Städte dürfen ihre Tore nicht vor ihnen verschließen, Zoll und Maut müssen sie nicht bezahlen. Unantastbar sind sie auch für Räuber und Wegelagerer, die noch einen Funken Frömmigkeit (oder Klugheit: die meisten Pilger führen nur das Mindeste mit sich) in sich haben.
Andererseits Seite haben sich die Pilger an Demut und Bescheidenheit zu halten. Für gewöhnlich gelten für sie auf dieser Fahrt auch die Auflagen, die ein Geweihter der jeweiligen Gottheit einhalten muß.
Um als Pilger erkannt zu werden, tragen die Reisenden gut sichtbare Symbole, die wie ein Talisman zu hüten sind: Unverwechselbare Kleinodien, die auch den Charakter des Glaubens wiederspiegeln.
Die Route der Reise ist oft seit Jahrhunderten vorgegeben. Natürlich werden für gewöhnlich die großen Straßen und Handelswege benutzt, doch es gibt immer wieder überdogmatische Geweihte vor allem von Praios, Rondra und Travia, die es als ihre Pflicht ansehen, den Zug der Pilger durch Länder von Heiden und Monstern zu führen, um die Kraft ihres Glaubens zu beweisen. Diese Todeszüge enden nicht selten unter den Schwertern und Klauen von Novadis, Orken und Dämonisten.
Auf dem Weg stoßen häufig auch noch andere Gläubige hinzu, so daß kleine Gruppen zu wahren Menschenmassen anwachsen können. Einzigartig ist der Große Marsch von 527 vor Hal, der - unter dem Symbol der Erneuerung durch Rohals Regierungsübernahme - mit der Tsageweihten Lacerta in Silas begann, durch Almada, Garetien und Aranien führte, um schließlich an den heiligen Quellen von Khunchom mit 20.000 Pilgern zu enden!
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